Heimweh

9 Tage auf dem Land….

Heute ist mein letzter Urlaubstag im Familienhotel. Ab morgen Nachmittag wohnt jeder wieder da, wo er wohnt. Familie Holzbock* kommt zurück aus dem Sommerurlaub und ich fahre in mein Zuhause.

8 Tage sind überstanden – das heißt, heute ist mein letzter richtiger Tag hier. Nochmal das ganze Programm und dann ist Schluss. Früher fand ich ‚Frauentausch‘ immer sehr interessant und nun stecke ich selber in der Situation, nur ohne Tauschfamilie. Hier muss ich mich lediglich um die Tiere kümmern. 2x füttern, bisschen spielen, bisschen Auslauf im Garten und das war‘s. Paar Späße sind natürlich auch drin. Ich kann nicht drauf verzichten, Tiere zu veräppeln…

Maja lag gestern Abend vor der Treppe. Plötzlich kullerte ihr geliebter Tennisball die Treppe hinunter. Hinunter in den Bereich, den sie nicht betreten darf. Die darf nicht ins Wohnzimmer, das hat sie als Welpe in der Hundeschule gelernt. Ich musste lachen, als der Ball wie in Zeitlupe die Treppe hinunter rollte. Majas Blick war einmalig lustig. Sie sah perplex zu und wirkte hilflos. Ich lachte so laut, dass Maja mich total verstört ansah. Sie wusste nicht, was sie machen sollte und konnte mein schadenfrohes Verhalten nicht einordnen. Natürlich holte ich ihr den Ball und sie lud mich gleich freudig zum Spielen ein.

Katze Lori werde ich vermissen. Sie guckt extrem verpeilt und hat einfach einen richtig komischen Ausdruck in ihren Augen. Sie ist niedlich, aber irgendwie auch nicht. Ihre Augen sind ganz anders, als die von anderen Katzen. Dafür hatte sie einen liebevollen, schönen und schlauen Charakter. Sie ist sehr zart, unnormal verschmust und kann sich durchsetzen. Eine mutige Katze, die nach Autos schaut, bevor sie über die Straße geht. Ihren dämlichen Blick werde ich jedenfalls nicht vergessen, der hat mir viel Freude bereitet.

Heute hatte ich richtig Heimweh. Eigentlich schon, seitdem ich ankam – aber heute am meisten, obwohl es nur noch ein Tag ist. Meine Laune sah man mir bestimmt am Gesicht an. Dabei habe ich doch gar keinen Grund zum Meckern. Immerhin wohne ich in einem Haus mit Garten und habe alles, was man braucht. Ist ja nicht so, als würde ich in einer Bruchbude hausen. Für viele mag dieses Landleben ein Traum sein und manche würden sicher gerne tauschen. Für viele nicht verständlich, dass ich mich beschwere, paar Tage auf ein Haus aufzupassen, gibt es doch so viel Schlimmeres. Aber: Es ist einfach nicht mein Leben und das merke ich. Ich führe gerade den Alltag einer anderen Familie und bewohne deren Zuhause. Klar ist das befremdlich. Anderer Ort, anderer Tagesablauf. Keine Möglichkeit einkaufen zu gehen oder Sport zu machen, da die Tiere pünktlich gefüttert werden sollten. Sonst fängt Maja an, den Hausschuh zu zerbeißen und Lori guckt doof aus der Wäsche.

Ja, woanders ist nicht Zuhause. Ich finde es nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich schön. Es gibt Vorteile, jedoch überwiegen die Nachteile für mich. Zumal das Wetter all die Tage leider auch nicht mitspielte. Im Garten konnte ich nicht sitzen und die Sonne genießen, denn sie war nicht da. Höchstens mal für wenige Minuten. Aber so, wie ich es mir vorgestellt habe, war es nicht. Ich habe 4 Zeitungen mit, die ich unbedingt lesen wollte, bin jedoch aus vielen Gründen nicht dazu gekommen. Innerlich war ich zu unruhig und war mehr mit Nachdenken beschäftigt. Einfach zu deprimiert zum Lesen. Lesen wollte ich im sonnigen Garten, mit Kaffee – so war der ursprüngliche Plan. Nun nehme ich die schönen Zeitungen ungelesen wieder mit und habe ein schlechtes Gewissen.

Und weil ich mich hier nicht so wohl fühle, habe ich vermehrt Hunger. Das müssen die Stresshormone sein, die auf dem Land ansteigen. Bei all der Einsamkeit und dem gestörten Tagesablauf ist das bei mir kein Wunder. Ich bin sehr sensibel. All das sind Anzeichen, dass ich inzwischen völlig unter Heimweh leide. Ich brauche meinen morgendlichen Weg zur Arbeit – die 10 Minuten mit dem Fahrrad. Das ist toll, um wach zu werden und sich auf den Tag einzustimmen. Dabei spielt das Wetter keine große Rolle, da mein Kleiderschrank alles hergibt. Den vermisse ich übrigens auch sehr. Manchmal dauert es zwar, bis ich mich entscheide, was ich anziehe, aber das ist immer noch besser, als beschränkte Auswahl zu haben. Jetzt lebe ich nur aus dem Koffer und mit den Outfits, die ich mir vor über einer Woche ausgesucht habe. Mit den Konsequenzen muss ich jetzt zurecht kommen. Hätte heute lieber etwas anderes angezogen…

Vorhin habe ich zum letzten Mal den Staubsauger benutzt. Auch da bin ich froh, bald wieder meinen zu haben, da dieser für mich fast nur Nachteile hat. Mit dem werde ich mich nicht mehr anfreunden, er wird meinen (gar nicht allzu hohen) Ansprüchen nicht gerecht. Und auch mit den Mülleimern bin ich nicht zufrieden. Eingebaut in die Küchenzeile, zum rein- und rausschieben. Gar nicht mein Ding. Und vor allem sind die Eimer viel zu klein…und die Mülltüten sind nicht dicht, der ganze Inhalt ist in die Eimer gelaufen. Ekelhaft….. Für eine Familie völlig ungeeignet. Okay, genug genörgelt. Ist ja nicht mein Problem.

Morgen ist die Welt wieder in Ordnung. Mein Freund Bubu kommt und wir begrüßen zusammen meine Wohnung. Dann ist wieder alles hell und mit positiver Energie gefüllt. Dort gibt es gute Laune und mein Alltag läuft wieder geregelt. Zusammen mit Bubu ist alles außerdem noch viel schöner. Im Moment steigt also die Vorfreude wieder leicht an, denn es ist schon abends und alles ist bald geschafft. Die Tiere kriegen gleich ihr Futter und ich werde noch eine abendliche Runde durch den Garten drehen und die Mülltonne vor die Einfahrt stellen, denn morgen in der Früh kommt das Müllauto und nimmt den Abfall der letzten zwei Wochen mit.

Vielleicht schaue ich abends Fernsehen, das habe ich mir in den letzten gut verkniffen, denn im Wohnzimmer ist es mir zu kalt. Trotz Decke kommt kein Wohlbefinden auf. Da verzichtet man dann auch mal auf seine Lieblingsserien und schiebt Depri oben im Gästezimmer. Im Bett mit über den Kopf gezogener Decke. Ja, es war eine seltsame Zeit… dennoch verging sie überraschenderweise schnell. Dass ich schon so lange hier bin, kommt mir gar nicht so vor.

Nächstes Jahr werde ich wahrscheinlich wieder das Haus betreuen, wenn Familie Holzwurm in den Urlaub fliegt. Vielleicht komme ich dann besser mit den Umständen klar und bin vorbereitet. Eine Landfrau werde ich trotzdem nicht….


Landhaus-Romantik
Auch die Blumen wollen versorgt werden
Blumenpracht
Stockrosen
Pavillon. Ein perfekter Ort zum Entspannen, wenn die Tür aufgehen würde 😂
Fahrradschuppen
Hochbeet und Kräuter

* Name geändert

Radtour und Momente

1 Tag Malmö

Verblümt

  

Katerstimmung

 Lost in flowers. 

Blumenwiese mit Klee.

Weil Sonne, Schatten und Blumen einfach zusammengehören.

Und wenn die Wirklichkeit nicht bunt genug ist, fällt sie quietschig in den Farbtopf.

  

Ein Tag Frühling

März

Als ich heute Morgen aufwachte, durchfluteten bereits warme Sonnenstrahlen mein Zimmer und in mir machte sich ein befreiendes Gefühl der Freude breit. Endlich Sonne, die ich seit Ewigkeiten nicht mehr so intensiv gespürt habe, weil sie hinter dicken Wolken schien und ihre Wärme verborgen blieb.

Ich war glücklich, mal keine dunklen Wolken zu sehen, denn das ständige Grau ging mir mittlerweile auf die Nerven und drückte negativ auf meine Stimmung. Jede Jahreszeit ist schön, aber zu viel Winter gefährdet meine Laune und legt mich lahm, vor allem emotional. Dabei habe ich als Kind den Winter geliebt und das nicht nur wegen der Schneeflocken. Eigentlich bin ich ein Winterkind. Allerdings ist davon nicht mehr viel übrig geblieben, bis auf den schlafenden Steinbock in mir, der nur noch als symbolisches Sternzeichen in Erscheinung tritt und nahezu passiv agiert.

Ich schaute aus dem Fenster und sah zum ersten Mal den zarten Frühling in diesem Jahr, obwohl er noch nicht begonnen hatte. Aber heute zeigte er sich für einen Tag in seiner ganzen Schönheit. Die Luft, die leicht durch mein angekipptes Fenster zog, war mild und sanft. Keine Spur von harter Kälte und schroffem Wind. Einige Vögel zwitscherten schon vereinzelt, die sich irgendwo in den Bäumen zwischen den anderen Häusern versteckten. Draußen liefen übermütige Leute im dünnen Pullover herum, als sei es völlig selbstverständlich und man konnte denken, dass es in den nächsten Tagen nicht anders sein würde. Denn heute war Frühling. Außerdem hörte ich kaum ein Auto auf der Straße. Alles war ungewöhnlich ruhig und friedlich, wie es sich für einen anständigen Sonntag gehörte.

Das helle Licht in meiner Wohnung sorgte für Tatendrang und das merkte ich unmittelbar nach dem Aufstehen. Alles ging viel leichter von der Hand und ich musste nicht lange nachdenken, ob ich heute z.B. putze oder nicht. Schließlich wurde der Staub von der Sonne gut erkennbar angestrahlt und zeigte mir die Schwachstellen in den Ecken, ohne meine Augen dabei anstrengen zu müssen. Alles war easy und machte Spaß, nichts kostete Überwindung oder gar Ärger. Ich schmiss den Haushalt mit Euphorie und Enthusiasmus.

Keine einzige Wolke war am Himmel zu sehen. Es gab nichts anderes, als die Farbe Blau, gefüllt mit Wärme und Licht. Wenigstens für einen Tag.

Als ich meine Balkontür öffnete, um Wäsche aufzuhängen, konnte ich es kaum fassen, wie warm es dort war. Durch die aufgestaute Wärme fühlte es sich an, als hätte mir der Hochsommer gerade einen flüchtigen Besuch abgestattet. Ich freute mich über diesen kurzen sommerlichen Vorgeschmack, der hoffentlich nicht mehr allzu lange auf sich warten ließ.

Ich atmete den Duft der frisch gewaschenen Wäsche ein, die angeblich nach Orchideen roch. Ja, es wurde Zeit, dass sich der Frühling blicken ließ, denn so viele Dinge sorgten für Sehnsucht. Wie der falsche Duft von künstlich hergestellten Blumenaromen aus dem Weichspüler.

Nach einer Tasse Kaffee, drängte sich der Aktivitätstrieb noch stärker in mir auf. Koffein und Sonne zeigten ihre energetische Wirkung und ließen mich nicht mehr still sitzen. Mir war jedoch auch ohne Kaffee klar, dass ich heute unbedingt raus musste. Ich als Fahrrad-Junkie hatte nur auf diesen Moment gewartet: Schönes Wetter, ohne viel Wind, der mir fies ins Gesicht pustete und versuchte, mich unlieb vom Fahrrad zu drücken. Ich hasste Wind von einer Stärke ab 21 km/h.

Was nur noch fehlte war witterungsangepasste Frühlings-Kleidung. Also entschied ich mich für Shorts aus Webstoff und blickdichten Leggings. Darüber ein T-Shirt mit Blumen und eine dünne Baumwolljacke in schwarz, um es nicht zu übertreiben. Für die Füße gab es diesmal ausnahmsweise flache Sportschuhe, die ich sonst nie trug. Die Strickmütze durfte heute zu Hause bleiben, auch wenn es mir anfangs schwerfiel, auf dieses Lieblingsstück zu verzichten. Ich dachte, dass sie nicht nötig war und mich der Wind in Ruhe ließ.

Es war ein tolles Gefühl, nach langer Zeit endlich wieder meine geliebte bernsteinfarbene Retro-Sonnenbrille aufzusetzen. Welch geiler Moment, anders war es nicht zu beschreiben. In meinem Bauch kribbelte es, als ob ich verliebt wäre. Dabei war es nur die Freiheit, die ich nun wieder umso mehr spüren und nutzen konnte. Endlich wieder frische Luft und Natur, die ich so sehr vermisste.

Ich wurde ungeduldig, als ich ein paar Minuten vor der roten Ampel warten musste. Heute stand sie gefühlsmäßig viel länger auf Rot, als sonst. Als endlich grün war, konnte ich es kaum erwarten, loszufahren. Die letzte Tour war zwei Monate her – es war eisig kalt und ich inhalierte nur nebelige Luft. Heute war es anders, an diesem sonnigen Frühlingstag.

Auch andere Leute zog es nach draußen. Sie hatten ebenfalls keine Lust, faul und vollgefressen auf der heimischen Couch vorm blöden Fernseher zu liegen. Richtig so. Nach einigen Metern merkte ich allerdings schon, wie stark der Wind von vorne kam und mir das Fahren erschwerte. Aber es war mir egal, dafür hatte ich auf dem Rückweg weniger zu tun. Der Wind schaffte es nicht, meine Motivation zu stoppen. Ich suchte schließlich keine Ausrede, um Sport raffiniert aus dem Wege zu gehen. Nach einer Weile vergaß ich den Wind sogar, denn durch die Musik aus meinen Ohrstöpseln konnte ich ihn gut ignorieren, obwohl er sie mir beinahe aus dem Ohr blies.

Um mich herum war kein Winter zu sehen. Kein Schnee im Gebüsch, kein Frost in der Luft und kein vereister See in der Nähe. Das Gras war grün, aber die Bäume waren leider noch etwas kahl und wurden nicht von prächtigen Baumkronen geschmückt. Aus dem Gras in den Vorgärten schauten kleine Schneeglöckchen hervor, die sich noch nicht richtig heraustrauten. Die Krokusse blieben mir noch vorenthalten, denn ich sah sie nicht oder ich war zu blind, in meiner Wintersmüdigkeit, die mich derzeit noch mit ihrer unangenehmen Gesellschaft bedrückt und mich erst dann verlässt, wenn der Frühling in voller Montur ist. Bitte bald.

Als ich nach einigen Stunden wieder zu Hause war, wurde es schon langsam dunkel. Es machte mich etwas traurig, als mir bewusst wurde, dass dieser schöne Tag nun zu Ende war und ich nicht wusste, wann die Sonne zurückkehrt. Ich schloss alle Fenster, denn auf die abendliche Abkühlung in meiner Wohnung wollte ich lieber verzichten. Nur im Schlafzimmer durfte sie bleiben. Danach machte ich mir einen Tee und als ich mich hinsetzte, sah ich, dass meine Hose ein Loch hatte. Wahrscheinlich wurde sie nun endgültig vom Sattel aufgescheuert. Die Hose hatte schon einige Jahreszeiten erlebt und diese Tour war wohl ihre Letzte.