







Das Wetter ist zur Zeit komisch. So komisch, dass es sich lohnt, über’s Wetter zu reden, obwohl es sich doch sonst nur für Smalltalk-Themen eignet,…in schweigsamen Situationen. Wenn einem nichts anderes einfällt, als: Das Wetter.
Ja, der März. Kurz vor Frühlingsanfang und doch noch lange warten, bis es soweit ist. Und selbst das muss noch nichts heißen. Man kann nie wissen, ob es nicht doch noch einmal schneit. Alles schon erlebt. Aber niemand hofft es, schließlich hat sich der Markt schon auf fröhliche Ostersachen eingestellt und verkauft hier und da bereits einige süße, kleine Osterhäschen aus dickmachender Schokolade.
Es ist ein bisschen milder geworden, das merkt man neuerdings. Und doch spielt das Wetter verrückt. Heute Morgen war es angenehm, endlich ohne Handschuhe Fahrradfahren…ähm…E-Bike gefahren werden. Ja, auch heute früh habe ich mich richtig entschieden. Denn der Wetterbericht verkündete am Abend zuvor – vor dem Schlafengehen – Regen und Sturm. Und wer will sich da bitteschön durchquälen? Ich habe es nicht mehr nötig, seit ich mir vor ca. 2 Monaten das Elektro-Bike in den Schuppen geholt habe. Eine gute Entscheidung, wie ich immer wieder feststellen muss. Das Fahrrad für besondere Momente.
Heute früh hatte ich Glück – kein Regen, kein Sturm. Seltsam, dabei hat mein Wetterbericht in meiner Handy-App doch immer Recht? Egal, ich fand es angenehm. Im Laufe des Tages konnte ich dann dabei zuschauen, was draußen allmählich los war bzw. ‚losging‘. Ein reines Spektakel. Die Sonne ließ sich des öfteren blicken, das war ein Genuss, endlich wieder ein wenig Vitamin D tanken zu können und sich gleich glücklicher fühlen zu dürfen, denn auch die Winterdepression fängt sofort an, sich bei Sonnenstrahlen schleunigst zu verabschieden. Bitte mehr davon, am besten eine Überdosis Sonne in mein Gehirn.
Kurz danach ließ das Unwetter nicht lange auf sich warten. Dunkler Himmel, grauschwarze Wolken, kein Licht mehr. Alles trist und trübe auf der Straße. Leute, die sich in Häusern und Läden versteckten, weil sie ahnten, was kommt. Ein riesengroßer Regenschauer und ein leichtes, aber bedrohliches Grollen oben am Himmel in den Wolken. Eigentlich viel zu früh für romantische Sommergewitter…
Die Wolken regneten sich aus und es stürmte vor sich hin. Es sah nicht gemütlich aus, aber man konnte vermuten, dass sich das Wetter bald verzieht und alles wieder gut wird. So war es dann auch – es dauerte zwar mehrere lange Minuten, aber danach schien wieder ein bisschen die optimistische Sonne, die sich zum Glück schüchtern hervortraute.
Am späteren Nachmittag jedoch herrschte wieder Usedomer Weltuntergang Deluxe. Alles fing von vorne an. Pünktlich zum Feierabend, wie es normalerweise auch sein sollte. Na toll, dachte ich. Ich konnte unter diesen umständlichen Wetterbedingungen nicht nach Hause fahren und hatte Angst, dass ich durch die zeitliche Verzögerung meiner blöden* Nachbarin über den Weg fahre, denn sie kommt meist um die selbe Zeit nach Hause, wie ich – mit der Ausnahme, dass sie ein paar Minuten später kommt und wahrscheinlich etwas trödelt, da sie ein kleines Kind hat, welches vom Kindergarten abgeholt werden möchte. Wir finden uns beide unsympathisch (denke ich), da wir nichts gemeinsam haben (weiß ich). Man muss nicht jeden mögen, das weiß jeder.
Als das Wetter halbwegs okay war, fuhr ich los. Regen in Kombi mit Fahrradfahren war ich eh seit Jahren gewohnt und es war keine Tragödie mehr. Schließlich konnte ich mich zu Hause gleich umziehen.
Es nieselte nur noch ein bisschen. Zum nass werden reichte es nicht mehr und ich konnte die paar Kilometer in Ruhe nach Hause fahren.
Ich war erstaunt, was das Wetter in so kurzer Zeit anrichtete: Überall lagen Äste und Baumteile herum und alles, was nicht ‚fest‘ war. Mülltonnen lagen umgekippt auf den Gehwegen und alles lag einfach nur irritiert herum. Trotzdem war es auf meinem E-Bike bequem, denn der Sturm kam von hinten und gab extra Antrieb. Obwohl mir das egal sein konnte, denn ich musste ja nicht selber fahren…
Mitten auf dem Radweg lag sogar ein umgekippter Baum. Er versperrte den Weg und ich musste mein Fahrrad darüber tragen. Den Baum musste ich so lassen, denn ich konnte ihn nicht alleine vom Weg entfernen. Er war einfach zu schwer und lag dazu noch ungünstig.
Da sieht man mal wieder, wie gefährlich es ist, im Dunkeln zu fahren, da man mit so etwas nicht immer rechnet. Viel schlimmer: Wenn der Baum auf einen drauffällt… Ich kam trotzdem unbeschadet nach Hause, steckte mein E-Bike in die Steckdose und war trotz allem früher zu Hause, als meine Nachbarin. Als ich dann in meiner Wohnung war, kam sie auch gleich um die Ecke mit ihrem Auto – das war echt knapp. Fast hätte ich ihr Guten Tag sagen müssen, wo sie mich doch am liebsten total ignoriert, obwohl sie nur 2 Jahre älter ist, als ich…
Jetzt ist es Abend und es stürmt immer noch. Und es regnet und einfach alles findet vor meinem Fenster statt. Ich habe manchmal Angst, dass das Haus kaputt geht oder dass die große Birke, die vor dem Balkon steht, auf das gesamte Haus kracht und es tot schlägt. Ich hoffe, so stark wird das Unwetter nie sein!!!
Und ich bin froh, dass es inzwischen länger hell draußen ist, denn ich wäre die Erste, die mit dem Rad über den umgekippten Baum gestürzt wäre…
*Anfangs dachte ich, sie könnte meine Freundin werden. Anfangs war, noch bevor ich überhaupt den Umzug hinter mir hatte. Und als ich Monate später hier einzog, wusste ich plötzlich, dass das mit uns nichts werden konnte. Man sollte nicht zwei verschiedene Welten aufeinander krachen lassen.
„Rudi, komm wieder zurück“, rief ich meinem Hund zu, der hektisch durch das Herbstlaub auf eine abgelegene Hütte im Wald zulief. Er hörte einfach nicht auf mich, obwohl er gut erzogen war. In dem Moment fragte ich mich, warum ich diesmal diese Strecke zum Spazieren wählte, da mir dieser Wald nie ganz geheuer war, denn hier war wirklich niemand und ich war sehr ängstlich. Inzwischen stand Rudi bellend vor der alten Hütte, die morsch aussah und mit Moos bedeckt war. Die Hütte machte einen verlassenen Eindruck. Wer sollte schon so tief im Wald wohnen, mitten im Nirgendwo?
Rudi scharrte ungeduldig an der Tür, bellte immer wieder und schaute zu mir hoch. Ob er etwas wahrnahm? Ich guckte durch die schmutzigen Fenster, die teilweise eingeschlagen waren und sah nichts, außer finstere Ecken. Trotz meiner Angst trieben mich die Neugier und das Gefühl, hinein zu müssen, voran. Ich wollte wissen, was der Grund für Rudis Unruhe war.
Als ich um die Ecke lief, fand ich eine Tür, die nicht einmal verschlossen war und rutschte fast auf der glitschigen Treppenstufe aus. Es fing wieder an zu regnen, da kam der Unterschlupf gerade richtig.
Ich machte die Tür vorsichtig und leise auf. Rudi drängte sich durch den Schlitz und wedelte über den feuchten Holzfußboden. Scheinbar waren wir alleine. Es hätte mich auch gewundert, hier jemanden mitten im Abseits zu finden. Die Hütte war mit alten abgenutzten Möbeln eingerichtet und überall lagen Dinge herum, die für so einen Ort ungewöhnlich waren. Feuerzeuge, abgebrochene Holzspieße und etliche verrostete Messer. Der Stapel Kleidung in der Ecke löste in mir Unbehagen aus. Ich nahm einen zerfetzten Pullover in die Hand, der mit dunklen großen Flecken übersät war. Was war das? An Blut wollte ich gar nicht denken.
Als Rudi wieder anfing, zu bellen, erschrak ich mich so sehr, dass mein Herz kurz stolperte. Er stand vor einer kaum sichtbaren Tür in einer dunklen Nische. Diese war mit einem schweren Metallriegel versperrt. Gerade, als ich zu dieser Tür wollte, hörte ich schleppende Schritte von draußen. Oh mein Gott, da kam jemand und ich ahnte, dass dieser Mensch nichts Gutes tat, wenn ihm diese seltsame Hütte gehörte.
Ich suchte ein Versteck, während Rudi nicht aufhörte, zu bellen. Voller Panik schob ich mich hinter den schweren Vorhang am Fenster. Dann kam jemand in die Hütte. Ein seltsame Figur, ganz in Schwarz und sehr dick. Es roch nach Verwesung, als er die Kapuze hinunterzog und seine langen verfilzten Haare zum Vorschein kamen. Mich schauderte es, als sein starrer Blick auf Rudi fiel, der ihn verängstigt anschaute und winselte.
„Wie kommst du oller Köter hier rein“, schrie der Mann und knallte die Faust auf den Tisch. „Hast wohl Fleisch gerochen, was? Hahahaha!“
Dann rannte Rudi mit eingezogen Kopf flink aus dem Haus und war weg. Der Mann schaute ihm hinterher und lachte nur dreckig. Mein Herz raste. Ich flehte inständig, dass er mich in der Dunkelheit nicht sah.
Dann ging der Mann zu der verriegelten Tür. Nachdem er sie öffnete, versank der Raum in einem enormen Gestank aus altem Fleisch und Tod. Er kramte in dem Zimmer herum und kam mit einem großen Haarbüschel wieder. Er roch daran und berührte mit dem Büschel sein Gesicht. Mir wurde schlecht bei dem Anblick und hielt mir die Hand vor den Mund. In dem Raum waren scheinbar menschliche Überreste und wahrscheinlich war er der Mörder. Hier konnte ich nicht bleiben, ich musste raus, bevor er mich fand.
Mein Handy hatte keinen Empfang. Also blieb mir nichts anderes übrig, als auf eine günstige Gelegenheit zu warten. Wenige Minuten später ging er wieder in den anderen Raum. Jetzt musste es klappen. Ich nahm all meinen Mut zusammen und floh aus meinem Versteck. Mein Herz raste vor Todesangst, als ich aus der Hütte in den Regen rannte und nicht wusste, wohin. Der Wald war mir fremd. „Hey, bleib stehen, du kleines Ding“, schrie er verärgert. Ich rannte hinaus und ich spürte, dass er dicht hinter mir war, da ich seine Schritte und seinen hektischen Atem genau hörte.
Der Wald sah überall gleich aus. Ich versuchte mich zu erinnern und hoffte, dass es die richtige Richtung war. Als ich mich umdrehte, sah ich, dass er einen langen Holzstab mit Messerspitze in der Hand hielt. Er hielt ihn wie einen Speer. Ich rannte, so schnell ich konnte, in der Hoffnung, dass er wegen seines Übergewichtes aufgab. Dabei konnte ich selber nicht mehr laufen, mein Kreislauf wurde immer schwächer und mein Herz machte Probleme. Es tat unheimlich weh und ich fiel zu Boden.
Als ich aufwachte, sah ich mich in der Hütte. Wie konnte das sein? Ich stand neben mir und konnte zusehen, wie der Mann meinen Körper in dieses Zimmer voller Fleisch trug. Ich blutete aus einigen Stichwunden stark und war bewusstlos, oder vielleicht sogar tot. Der Mann zog mich aus und schmiss meine Sachen auf den Haufen der anderen Kleidungsstücke. Danach konnte sein makaberes Spiel weitergehen. Ich konnte die Freude in seinen Augen erkennen. Es war eine kranke Freude.
Dann hörte ich wieder Schritte von draußen, kleine schnelle Schritte, die etwas Unerwartetes ankündigten: Rudi kam herein und er trug etwas in seinem Maul. Es war ein schwarzer Haarbüschel. Ich spürte genau, dass Rudi mich suchte. Er stand wartend da, als ob gleich etwas passieren würde. Der Mann hatte ihn noch nicht bemerkt.
Kurz darauf folgten Stimmen, die draußen aufgeregt diskutierten, während der Mann in seinem Raum mit mir beschäftigt war. Am liebsten hätte ich geweint, aber ich spürte keinen körperlichen Schmerz. Nur der grausame Anblick tat unendlich weh.
Plötzlich ging die Tür auf.
Die Polizei und ein Notarzt traten energisch hinein und stürmten die Hütte. Sie stürzten sich auf den Mann und legten ihm Handschellen an. Der Mann versuchte sich mit allen Kräften zu wehren und windete sich stumm. Er sagte kein Wort und wirkte geistig abwesend, wie in einem Trancezustand.
Rudi hatte ihn überführt, indem er mir helfen wollte und all den Leuten zeigte, was er im Wald gefunden hatte.
Der Notarzt tat alles, um mich ins Leben zurückzuholen und ich schaffte es tatsächlich wieder zurück. „Das war sehr knapp, junge Dame“, sagte er freundlich. Erschöpft schlief ich wieder ein. Mit dem Gedanken, dass nach dem Tod nicht alles zu Ende ist und Rudi mir das Leben zurückgeschenkt hat. Danke.