Sehnsucht (Oktober 2013)

Ich sitze fast wie erstarrt und still in meinem Zimmer. Es ist Abend und ich bin allein. Das einzige Geräusch ist der Regen, der gegen das Fenster schlägt. Mein Blick fällt auf einen großen Stapel Zeitungen, die in meinem Schrank ungeordnet aufeinander liegen. Wenn ich auf das Datum schaue, überkommen mich Wehmut und Sehnsucht. Die Zeitungen sind alt, aber wenn ich darin blättere, könnten sie von heute sein. Jedes Bild ist mir bekannt, kein Text ungelesen.

Das Zimmer ist auf einmal gefüllt mit Melancholie und gemischten Gefühlen. Gefühle von heutigem Zweifel und früherer Vorfreude, sowie Glück. Es gab Zeiten, in denen alles perfekt schien. Diese Zeiten liegen heute in Scherben in der Vergangenheit und existieren nur noch in dunkler Erinnerung.

Wird es diese Zeiten je wieder geben – zwar in anderer Form, aber vielleicht ähnlich? Ich werde nachdenklich. Schwer, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Nichts wird wieder so, wie es mal war. Veränderungen kommen, bleiben und gehen. Nie wieder wird Vorfreude so sein, wie sie einst war, die Enttäuschungen der Zeit hat sie vertrieben.

Und wo ist die Unbeschwertheit, die mich stets begleitet hat? Auch sie hat sich im Laufe der Erfahrungen schleichend verabschiedet.

Draußen ist es nass, kalt und bunt. Der Herbst steht vor der Tür. Die Jahreszeit, die trüben Gefühlen die Tür öffnet und sie traurig begrüßt. Ich bin gerne allein und genieße es, mich in meiner Sehnsucht nach dem Vergangenen zu suhlen und alte Jahre wieder aufleben zu lassen.

Eine einzige Kerze brennt nur noch, die anderen sind bereits abgebrannt. Um mich herum ist es halbdunkel, aber warm.

Meine Gedanken wechseln zwischen gestern, heute und morgen. Alles ist möglich. Nur ich entscheide in welcher Realität ich leben möchte und was ich will.

Meine Entscheidung ist: Loslassen und mit einem Lächeln durch den Regen und durch die Pfützen zu springen. Durch das Herbstlaub zu rascheln und mit dem Moment eins zu sein.

Die Kerze erlischt mit einem Hauch, das Zimmer wird dunkel. In mir kehrt Frieden ein, Zweifel verschwinden in der Dunkelheit und verstecken sich. Es liegt an mir, ob ich sie morgen suchen möchte, um sie dann erneut in mein Leben zu holen.

Ich werde müde und schaue im silbernen Mondlicht an die runde verzierte Deckenlampe meiner Oma. Draußen bellt ein Hund in der Nacht, während ich in dem alten Gäste-Bett liege und auf meine Eltern warte, die noch spät in der Küche sitzen und sich mit meinen Großeltern über alte Zeiten unterhalten.

Ich wünschte, die Zeit würde stillstehen oder wiederkommen. Oder wird es eine andere, neue Zeit geben, die dieser ähnelt? Läuft das Leben nicht in einer Endlosschleife, in der sich alles nach einer Weile ähnlich wiederholt?

Der Gedanke lässt mich hoffen und ich werde müde.

Flucht ins Kino 


Welch seltsamer, emotional belastender Tag, der nun endlich zu Ende ist.
Wobei ich mich vor einem Jahr noch auf dem Rückweg nach Hause befand, mit Anflügen von Übelkeit im Zug. Ich erinnere mich gerade genau, wie der Apfelsaft-Gin mir dort fast zum Verhängnis wurde, ich mich jedoch beherrschen konnte, indem ich mich auf die Musik aus meinen Ohrstöpseln konzentrierte. Danach machte ich mitten in der Nacht einen Spaziergang vom Bahnhof nach Hause, da keine Straßenbahn mehr fuhr. Somit hatte ich auch gleich genug frische Luft. War ein gutes Mittel gegen die Übelkeit, die zu Hause ihren Ausbruch im Klo fand. Schönes Treffen, schöne Nacht. Herrlich. Da war noch alles in Ordnung.

Ich zelebrierte diesen gestrigen besonderen Samstag tatsächlich melancholisch im Bett, mit einer Duftkerze und im abgedunkelten Zimmer. Die Sonne schien sowieso nicht. Umso dunkler war es mit heruntergelassenem Rollo. Ich schwelgte in Gedanken und Erinnerungen. Viel zu viel. Und zugleich spürte ich diese gewisse Leere, die mich permanent erfüllt. Widersprüche gehören zu meinem Leben eben dazu, das ist meine Normalität. Ich wünschte, meine Gefühle wären insgesamt nicht so extrem, sondern auch normaler. Aber dann wäre ich vielleicht eine Langweilerin, was ich auch sehr ätzend fände. Langweilig mag ich nicht, war nie mein Ding.
Zwischendurch ging ich kurz shoppen, las drei kleine Kapitel eines spannenden Buches und zappte durch meinen iPod. Auch Lieblingssongs übersprang ich. Innerlich völlig unruhig und aufgewühlt. Ich fand in keiner Tätigkeit Ruhe, nicht einmal beim Mandala ausmalen. Nichts konnte mich gedanklich ablenken und nichts machte richtig Spaß, sondern endete in Zerfahrenheit. Schaute nur auf die Uhr und sah die Szenen des vergangenen Jahres. Wie krank sich das anhört,..oder? Ich klinge wie eine ewig verheiratete Witwe. Oder nach einer Frau, die nach zehn Jahren Beziehung wieder Single ist. Dabei handelt es sich in meinem Fall nur um ein dreistündiges Treffen. Kein Anlass für all diese dramatische Trauer. Und dennoch geht es mir so bescheuert. Vielleicht bin ich jetzt auch durch mit dem Thema, da ich schon dabei bin, mein unsinniges Verknalltsein hier in der Öffentlichkeit ins Lächerliche zu ziehen und es mir dadurch umso bewusster wird, wie dämlich es eigentlich ist. Aber es hat mich leider erwischt. Man erlebt ja auch mal krankhafte Episoden im Leben. Eigentlich eher auf Depressionen bezogen, aber bei mir nennt sich das anders. Emotional instabil…
Abends ging ich ins Kino. Alleine. Ich wusste, dass das die beste Idee ist, um anderen Input zu bekommen. Alleine in Gesellschaft fremder Mensche, zusammen in einem gemütlichen Kino ist immer eine gute Wahl. Kino ist mein zweites Wohnzimmer. Neben mir saß niemand und ich fühlte mich, bis auf das vereinzelte Popcorngeraschel, gut und ungestört. Der Gruselfilm lenkte mich komplett ab, obwohl er gar nicht so toll war. Aber es reichte und es war besser für mich, den Abend nicht alleine zu Hause zu verbringen. Sonst hätte ich diesen nur stumm im Bett verbracht und hätte wieder teilnahmslos die Decke angestarrt. Ich musste unbedingt herauskommen aus diesem Stumpfsinn. Gegen 23 Uhr kam ich nach Hause und war froh, als dieser schräge Tag fast vorbei war. Die letzte Stunde verbrachte ich mit Nachrichten schreiben..an Freunde, bei denen ich mich lange nicht mehr gemeldet habe. Mal wieder mit der Hoffnung auf Ablenkung. Mir war egal, was sie schrieben. Hauptsache, ich fühlte mich in dieser Stunde nicht so einsam. Was tut man nicht alles aus Verzweiflung. Shit. 
Ich hoffe, dass es mir bald besser geht und ich mich privat emotional wieder positiv verändere. Immer wieder rede ich mir ein, dass es keinen Grund gibt, traurig zu sein und dass alles gut so ist, wie es ist und dass andere tolle Männer auf mich warten. Es muss nur einfach mal richtig in meinem Hirn ankommen. Und in meinem Herzen. 

August, 1 Jahr später


Diese Seite verstummt, ich weiß. Eigentlich gibt es viel zu sagen, würde ich mich nicht so verdammt gelähmt fühlen. Innerlich. Alles ist lahm geworden, dabei passiert in meinem Leben so viel. So viel Aufregendes. Neuer Job, neue Figur, neues Aussehen – all sowas. Dinge, über die man sich freuen kann und die für viele Menschen erstrebenswert sind. Ich habe so vieles erreicht. Und dennoch: Richtig gut geht es mir seit einem Jahr nicht mehr. 
Eigentlich gibt es für diese starke Melancholie, die ich spüre, gar keinen Grund, weil eigentlich alles nahezu perfekt ist. Ich müsste also glücklich und fröhlich sein, den ganzen Tag lächeln…
Der Knackpunkt ist eigentlich. Eigentlich, eigentlich, eigentlich. Wie soll ich etwas erklären, für das es eigentlich keine vernünftige Erklärung gibt. Unvernünftig ist der passendste Ausdruck für mein Verhalten. Naiv, gar kindisch. Irgendwie. Etwas stimmt einfach nicht und dieser ewige Kreislauf nimmt kein Ende, weil das Erlebnis vom vergangenen Sommer so sehr an mir haftet. Es klebt an mir und ich kann mich nicht davon befreien. Dabei ist es so schädlich, an der Vergangenheit zu kleben. Weil sie nicht mehr aktuell ist und sich Dinge nicht mehr rückgängig machen lassen. 

Was zurückbleibt ist Zerstreuung. Ich versuche mich jeden Zag zu ordnen, aber bis jetzt habe ich es an keinem Tag geschafft. Zumindest nie so, wie es sein sollte. Ich sollte in der Gegenwart leben und nicht jeden Abend in diese Traurigkeit und Sehnsucht abdriften. So gut ich mich jeden Tag auch ablenke, es funktioniert niemals vollständig. Die Wehmut findet immer zurück zu mir. Dann liege ich im Bett, starre minutenlang Gegenstände an und verschwinde in der Verlorenheit. Das passiert mir immer häufiger, dass ich einfach nur daliege und gar nichts tue. Oder morgens schlecht aus dem Bett komme und immer wieder die Decke über den Kopf ziehe, um im Dunkeln zu liegen. Oder die Rollos den ganzen Tag unten zu lassen, weil mir die Dunkelheit mehr zusagt und mein Innerstes widerspiegelt. Ich fühle mich wohl im Dunkeln. Vor einem Jahr war das noch anders. Da war ich energiegeladener und nicht so komisch drauf, wie jetzt. Mein jetziger Zustand beschreibt eher den Rückzug, der von der völligen Isolation trotzdem noch weit genug entfernt ist, denke ich.

Heute, vor genau einem Jahr hatte ich dieses Treffen, das mich emotional so sehr veränderte, dass ich mich kaum noch mit früher vergleichen kann. Manche Erlebnisse sind einfach einschneidend, auch wenn es übertrieben scheint, zu behaupten, dass man sich sofort in jemanden ‚verlieben‘ kann. Aber irgendwie kann man es. Obwohl es mehr als absurd klingt. Ich weiß…
Dabei ging das Treffen nur knapp drei Stunden und ich wurde danach aus ‚geschäftlichen‘ Gründen nach Hause geschickt. Ich wurde sogar fast vor die Straße gesetzt, ohne zu wissen, ob ich mit dem Zug noch um die Zeit nach Hause komme. Aber er war so nett und fuhr mich dann doch noch zum Bahnhof, nachdem ich mich so hilflos und weinerlich verhielt. Klingt also nicht gerade nach einem Super-Date. Genau das ist eben das Absurde daran. Eigentlich hat nichts weiter stattgefunden als: Abholen/Bahnhof/Spaziergang – Erzählen/Gin/Blickkontakt – Verabschieden/Vespa/Bahnhof. Jeder Part davon dauerte aufgeteilt also jeweils eine Stunde. Und der Blickkontakt hat es mir am meisten angetan. 

Alles so banal, und doch so wahnsinnig gravierend für mich. Weil er mich so verdammt anzog, mit allem. Seiner Persönlichkeit, seinem Aussehen, seinem Charakter.. Und dass, obwohl ich ihn so gut wie gar nicht kannte, sondern nur erahnen konnte, wie er wohl wäre,..mit all meiner Menschenkenntnis war ich der Annahme, mir von vornherein ein exaktes Bild von ihm machen zu können. Welch dummer Gedanke,..eigentlich.
Es klingt alles so schwachsinnig, obwohl ich meine Gefühle und Gedanken damit nicht verleugnen möchte. Weil sie immer noch so präsent sind, wie damals. Meine Gefühle sind immer noch da, trotz all der Umstände. 

Klar fand ich es nicht toll, als ich nach drei Stunden spontan nach Hause geschickt wurde, trotz seines tollen Gästezimmers. Aber es hatte nichts mit mir zu tun, sondern mit einem Meeting, das sich ziemlich rasch via PC aufdrängelte. Wie auch immer..Vielleicht gab es im Nachhinein doch ganz andere Gründe. Wahrscheinlich war er auch zu dem Zeitpunkt schon in einer Beziehung. Ich habe keine Ahnung. Immerhin sagte er später oft genug, er sei vieles nicht wert. Schon gar nicht, dass ich ihn mag und ihn so begehre. Entweder litt er an falscher Bescheidenheit oder weil er wusste, dass er gerne mal Frauen betrügt. Ich wüsste gerne, was damals genau passierte. Eigentlich wüsste ich am liebsten noch viel mehr über ihn. Ich hätte ich so gerne kennengelernt, insgesamt. 
Heute vor einem Jahr war noch alles in Ordnung. Ein gewöhnlicher Samstagvormittag mit meinen Lieblings-TV-Serien und einer gewaltigen Portion Aufregung. Nebenbei texteten wir miteinander und erzählten davon, was wir alles miteinander vorhatten an diesem Abend. 
Alles war super und klang eindeutig nach Happy End. Etwas anderes wäre undenkbar gewesen, da alles zwischen uns perfekt war. 

Heute weiß ich, dass es perfekt nicht mehr gibt. Er war perfekt. Aber seit ungefähr zwei Monaten brach er den Kontakt ab, da er meine seltsamen Liebeserklärungen und mein bettelndes Verhalten nicht mehr länger ertrug. Verständlich. Warum habe ich mich nicht endlich mal zusammen gerissen? Er ist schließlich in einer Beziehung und scheint diese Frau mehr zu mögen, als mich. Denn wäre es anders, hätte er sich für mich entschieden. Dieser Fakt schmerzt. Seit zwei Monaten wohne ich auf seiner Blockierliste, da ich es einfach nicht verstehen wollte, dass er jeglichen Kontakt zu mir ablehnte. Da es nicht gut für ihn war und für mich sowieso nicht. Leider wollte ich nichts davon verstehen. Ich lebte immer noch in der Überzeugung, ihn umstimmen zu können. 

Es schmerzt. Kein Kontakt mehr, keine Möglichkeiten, kein Wiedersehen. Nie mehr. Dabei versprach er mir, dass wir uns im August wiedersehen. Ein Jahr später, ganz unverbindlich. Kaffee trinken, ganz kurz. Hauptsache, wir sehen uns. Aber daraus wurde nichts und meine Traurigkeit wuchs dadurch umso mehr. Wie sehr hatte ich mich auf dieses Treffen gefreut…jeder einzelne Moment hätte für mich gezählt und mich glücklich gemacht. Jede Sekunde ist wertvoll.
Seitdem herrscht in mir Leere, emotionale Leere. Diesen Abbruch verkrafte ich nicht. Ich spüre genau, dass er mir extrem fehlt. Mir fehlt diese eigentlich fremde Person, die immer zu mir sagte, er wäre eine Projektion. So etwas, wie ein Fantasiegebilde. Vielleicht war er das auch, und dennoch kann ich ihm nicht zustimmen. Für mich war er mehr. Manche Männer muss man nicht kennen, um zu wissen, dass sie die richtigen sind. Man weiß es einfach aus dem Herzen. 

Diese Story hört sich nach einem einzigen Chaos an. Und ja, es gibt tatsächlich kaum Worte und eine Erklärung dazu. Für mich ist es auch Chaos. Diese Story ist einfach nur Gefühl und beinhaltet diese starke unerfüllte Sehnsucht, die vielleicht niemand mehr stillen kann. Es ist schwer. 
Dieses Treffen spielt sich in meinem Kopf jedes Mal wie ein Film ab. Gerade heute. Ich erinnere mich genau daran, was ich wann getan habe, wann ich wann wo war… Dieser ganze Tag ist komplett in mir abgespeichert, mit all seinen Szenen und Wort- und Gedankenfetzen. Ich habe nur Schnipsel im Kopf. Auch der damalige Chat schläft auf meinem Handy. Alles ist so frisch, obwohl es schon ein Jahr her ist und ich frage mich, ob ich jemals aus dieser Endlosschleife flüchten kann, wenn ich doch so sehr an ihm hänge. Obwohl es überhaupt gar nichts bringt. Aber diesen Gedanken verdränge ich… 

Ich texte dich zu.

  
Ich texte dich zu.

Morgens.

Mittags.

Abends.

…eventuell auch nachts.

Je nachdem, wie ich mich gerade fühle und was sich innerlich anbahnt.

Neugier. Frust. Freude. Lust. Sonstige Minderwertigkeitskomplexe. Und andere Arten von Zuständen.

Alles muss raus.

Egal wann, egal wie, egal wo.

Andauernd schreibe ich dir irgendetwas. Irgendetwas!

Dinge, die für dich weniger Sinn ergeben, als für mich. Wahrscheinlich.

Hauptsache, ich fege dir meine Gefühle irgendwie zu.

Mit meiner Schaufel, die sich Tastatur nennt.

Notfalls auch mit der Bitte, mich anzurufen. 

– Bitte!

Mir geht es dann besser und es herrscht eine kurzfristige Erleichterung mit rasch nachlassender Wirkung. Obwohl ich weiß, was du meinst. Ganz genau. Eigentlich.

Danach texte ich dich wieder zu.

Als ob ich dir nie zugehört hätte. 

Aber doch, das habe ich. Es kommt nur nicht permanent durch. Es stockt. Pause. Dann kommt es wieder. Es sickert zu mir.

Ich höre dir zu. Es wirkt. Bis es verschwindet. Bald darauf.

Jedes Mal erinnere ich mich an deine Worte. Aber irgendwie haben sie ihre Wirkung verloren. Weil Worte eine ganz andere Bedeutung kriegen, wenn man länger nachdenkt. Und wenn du nicht da bist.

Ich texte dich zu. Weil ich an allem zweifele, was gerade ist…war…oder sein könnte oder wird. Dabei gibt es keinen Grund. Eigentlich. 

Du sagst, es ist wie in einem Kreis. Und du hast Recht. 

Der Kreis ist rund. Mache ich einen Anfang, ist es auch gleich das Ende. 

Denn: Für jede Frage gab es bereits eine Antwort. Irgendwann vor etlichen Nachrichten. 

Einmal reicht. Normalerweise. 

Die Antworten kenne ich noch. Ich weiß sie. Und ich möchte sie wiederhören. Mit einem süßen Aroma. Nicht so bitter.

Ich texte dich zu.

Mit der Bitte, die Vergangenheit zur Gegenwart zu machen. Bevor es den Kreis gab. 

Mit meinem Versprechen, mich zusammenzureißen. Locker zu bleiben. Frei zu sein. Runter vom Gas. So, wie es sein soll, damit es funktioniert. Endlich.

Es funktioniert. 

Einen Tag.

Zwei Tage.

Drei Tage.

Dann fängt es an zu bröckeln. Zuerst ganz langsam, dann immer schneller.

Zweifel kommen auf.

Und ich frage mich, ob das alles noch stimmt, was du je gesagt hast.

Ich fange an zu weinen und bin sogleich wieder gefangen. Im Kreis.

Aus Sehnsucht und Lust.

Verzweiflung und falschem Ich-Sein.

Frigides tragic ending.

Zu Hause im Fernweh

Noch immer nicht richtig zu Hause, aber auch nicht mehr im Hotel. Die lange Strecke von Schottland zurück nach Deutschland hatte mir ganz schön mein inneres Gleichgewicht verdreht.

Mein Herz war noch nicht vollständig in der alten Heimat angekommen und meine Gefühle waren noch leicht verweht von der langen See- und Busfahrt. Ein kurzer Flug hätte sicher ähnliche Folgen gehabt, mit zusätzlichem Mini-Jetlag.
Die heimatliche Verbundenheit schlummerte noch tief in mir, wollte noch nicht erwachen. Stattdessen kribbelte das Fernweh wie verrückt. Der Urlaub in Schottland war wunderschön, sodass er mich das normale Leben erst mal vergessen ließ und ich den Eindrücken eine ganze Weile nachhing, bis ich sie halbwegs verarbeitet hatte. Zeitweise fühlte ich mich wie erschlagen von all den schönen Erlebnissen, an die ich immer wieder denken musste.
Das sofortige Basteln eines neuen Fotoalbums hätte mir sicherlich schnell Erleichterung verschafft, denn dort hätte ich meine tollen Erfahrungen einkleben und bunt gestalten können. Aber für die kreative Ballastentsorgung hatte ich leider noch keine Zeit.

Ich fühlte mich Tage später immer noch neben der Spur.
Während ich meine übliche Radtour auf gewohnten Wegen machte, fühlte ich mich seltsam. Alles um mich herum hatte einen subtilen Touch und wirkte etwas befremdlich. Hier war es längst nicht so wie in Schottland, nein. Die einzige Gemeinsamkeit war das diesig nebelige Wetter, mehr konnte ich nicht finden. Und auch die Luft roch kein bisschen nach frischem Atlantik, sondern nach ruhiger Ostsee. Darin gab es einen überraschend großen Unterschied. Die Atlantikluft war stärker, intensiver und gab mir viel mehr Kraft. Dagegen kam die Ostsee, die im Vergleich wie ein kleiner See wirkte, nicht an.

Beim Radfahren durch den einsamen Herbstwald nahm ich meine Umgebung nur gedämpft wie durch einen Filter wahr, denn vor meinen Augen tauchten wiederholt die Eindrücke meines Urlaubs auf. Ein Bild nach dem anderen, wie eine schnelle Diashow. Welch fotografisches Gedächtnis. Ein leises Gefühl der Sehnsucht beschlich mich, obwohl mir bewusst war, dass ich hier her gehörte, da jeder seinen Ursprung fest in sich trägt.

Bei uns waren die Wälder noch grün, in Schottland kehrte schon langsam zart der goldene Herbst ein. Die Straßen waren oft nass, denn es regnete nach Zufallsprinzip: Mal kurz, mal länger und dann wieder Pause. Die Sonne ließ sich seltener blicken, aber wenn, dann warfen die Wolken ihre Schatten auf die Highlands und zogen dort geheimnisvoll vorüber. Es war das reinste Schattenspiel. Die Wolken verdeckten die Sonne wieder so schnell, dass sie die Funktion eines An- und Ausschalters übernahmen. Durch sie drang die Sonne nicht mehr hindurch und sie tauchten alles in diffuse Dunkelheit.
In Schottland gab es zerklüftete Küsten, niedliche winzige Inseln, unzählige Seen, schroffe Felsen, sanfte raue Berge, Höhen mit Spitzen, versteckte Schluchten und unendliche Freiheit, die einen im Nu verschlingen konnte. In der Freiheit war es leicht, ein Niemand zu werden.
Zu Hause gab es all das nur in stark eingeschränkter Form. Und trotzdem gehörte ich hier her.

Manchmal möchte ich die stressigen Phasen des Lebens gern gegen die Einsamkeit eintauschen. Aber würde es mich auf Dauer glücklich machen? Wohl eher nicht. Ich gehöre nicht unbedingt zu den Eremiten. Trotzdem schaute ich mir mit Wehmut die stark abgelegenen Häuschen und die vergessenen Dörfer in den Highlands an. Leute, die in der Abgeschiedenheit zu Hause waren und die Natur jeden Tag aufs Neue spürten. Sie kannten es nicht anders.

Manchmal möchte ich gerne Teile des modernen Lebens zurücklassen, um wieder mehr zu mir zu finden.
Ein einfaches Leben ohne viel Technik und ein bisschen hinter der Zeit leben. Keine Leute sehen, die beim Laufen auf ihr Handy starren und zu blind sind, um die Realität um sich zu bemerken. In Schottland gab es zwar auch den technischen Fortschritt und Modernisierung, aber eher in der dezenten Variante. Ich hatte das Gefühl, Technik und Status hatten dort nicht so einen hohen Stellenwert. Die Menschen wirkten bescheiden und sehr zufrieden. Sie legten mehr Wert auf echte Gesellschaft und setzten auf die Hilfsbereitschaft ihrer Mitmenschen.
Dort zählten keine Statussymbole, sondern Nähe.
Und ich hörte oft das Wort ’sorry‘. Sie entschuldigten sich für Dinge, die eigentlich gar nicht passiert sind.

Aus Fernweh könnte jedoch auch Heimweh werden, denn in der Ferne vermisst man nach einiger Zeit vielleicht das, was man kennt und dort womöglich nicht bekommt oder nur unter erschwerten Bedingungen.
Ich schätze das Leben in Schottland in seiner Natürlichkeit wirklich sehr. Aber die große Freiheit stellt auch Abhängigkeit dar. Die Abhängigkeit, zu überleben. Die atemberaubenden Wandertouren bergen viele Gefahren, da das Wetter unberechenbar sein und den Tod bedeuten kann.
Ohne Auto wäre man verloren, sofern man nicht in einer größeren Stadt lebt.
Und gab es nur einen Zug? Mir kam es so vor, als gäbe es nur eine eingleisige Bahnlinie in diesem Land.
Zu Hause ist alles in greifbarer Nähe, aber nicht so in Schottland – scheinbar.

Schottland ist ein Land, in dem ich gerne Gast bin und von dessen Landschaft ich träume. Aber Heimat ist da, wo ich zu Hause bin.
Ja, so ist es tatsächlich. Auch wenn ich es früher nie wahrhaben wollte.

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Lass‘ mich träumen

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Von dem Tag, an dem wir zusammen in der Sonne sitzen und alles so normal ist, als wäre es nie anders gewesen.
Ein Tag, der sich anfühlt, als würden wir uns ewig kennen, obwohl wir uns zum ersten Mal begegnen.
Angefangen mit einer Begrüßung und einer Umarmung die mehr sagt, als jedes Wort, das je gesprochen wurde.
Wir sehen uns an und spüren diese Anziehung, die uns für einen Moment unzertrennlich macht.
Ein Moment, der mindestens eine Weile anhält und vielleicht auch länger.

Lass‘ mich träumen vom blau-weiß gestreiften Strandkorb am Meer in dem wir sitzen und Eis essen.
Wir hören leise den Möwen und dem Wasser zu und schauen in den Himmel, der keine Wolke verloren hat.
Wir genießen den warmen Sand, der unsere Füße bedeckt und den Sonnenbrand, den uns die Sonne verpasst.
Wir reden und lachen den ganzen Tag, wobei ich feststelle, dass sich deine Stimme in echt noch viel besser anhört, als aus den Kopfhörern mit denen ich abends oft einschlafe.

Lass‘ mich träumen von der Nacht, in der wir nackt Arm in Arm zusammen im Bett liegen.
Die Nacht, in der du mit mir schläfst und mich zum ersten Mal völlig fallen lasse.
Dein Atem ist meinem Gesicht so nah, dass ich anfange zu zittern.
Weil dieses Gefühl von tiefster Verbundenheit und Nähe mich schwach werden lässt.
Ich schließe meine Augen, um dich noch inniger mit allen Sinnen zu spüren.
Dich spüren zu dürfen ist das Beste, was du mir antun kannst.

Lass‘ mich träumen, dass ich in dieser Nacht dein kleiner Engel bin, der dich überall zärtlich küsst und berührt. Dir jeden Wunsch von den Lippen abliest und dir zeigt, wie sehr er dich begehrt.
Der Engel, der alles tut, was du willst und den du nie verletzen wirst, weil du es nicht kannst.