Bornholm August 2019

1. Tag: Ankunft und Abendspaziergang.

Wir hatten eine tolle Ferienwohnung erwischt. Mit allem bestens ausgestattet und mit Garten. Erstmal schauten wir uns alles in der Wohnung genau an und packten unsere Koffer aus. Am späteren Nachmittag mussten wir einkaufen. Der Kühlschrank war leer und wir füllten ihn mit Sachen aus dem Netto, der lag ganz in der Nähe und hatte ein super Sortiment. Ganz anders, als der Netto bei uns in Deutschland.

Ein gemütlicher Abend. Und ja, auch die Ferienwohnung wurde von der Sonne gut beheizt. Mir war es nachts eindeutig zu warm.
7. Tag: Früh morgens. Zeit, sich für die Abreise fertig zu machen. Schade, der Urlaub ging zu schnell zu Ende 😦 Ich hätte noch länger bleiben können.

Strandtag No. 2

Sonne tanken

Heute Nachmittag ging es wieder an den Strand! Naja, diesmal nicht ganz so bereitwillig, denn ich hatte nicht so recht Lust auf Langeweile. Lieblingsbadeanzug befand sich in der Waschmaschine und in meinem Kopf kreisten ganz andere Gedanken, die sich spontan an diesem Tag entwickelten. Manche Themen bringen einen durcheinander und man fühlt sich am Ende ganz komisch. Zu Hause bleiben macht es jedoch nicht besser. Also fuhren wir nach dem Essen an den Strand. So, wie viele andere auch.

Das Zelt war binnen weniger Minuten aufgebaut, die Routine ist drin. Ich lag in der Sonne und entspannte mich, während mein Freund im schattigen Zelt lag und dasselbe tat. Einfach mal faul sein und dennoch verging die Zeit heute erstaunlich schnell. Komisch. Der ganze Urlaub vergeht momentan schneller als sonst. Noch komischer. Warum rast die Zeit so?

Nach 2,5 Stunden hatten wir genug Sonne, Strand und Meer. Die anderen Leute waren außerdem auch in Aufbruchstimmung und wir verließen den Strand zeitgleich mit ihnen. Alle liefen sie in Kolonnen ins Ortszentrum oder zum Parkplatz. Der Strandvorplatz wird dann zum absoluten Ballungsgebiet. Da muss man echt aufpassen, wen man aus Versehen umfährt.

Leider gab es zum Schluss noch ein trauriges Erlebnis. Uns besuchte eine Möwe mit einem verletzten Schnabel. Sie stand direkt vor uns und wartete auf Futter. Den Schnabel konnte sie allerdings nicht mehr schließen und er hing wie ausgerenkt oder gebrochen herunter. Ich hoffe, sie kann trotzdem noch etwas fressen. Es tat mir jedenfalls sehr Leid. Tiere sind so hilflos, wenn sie verletzt sind. Sie können nicht einfach zum Arzt fliegen und sich helfen lassen. Und man selber kann auch nicht viel tun, da wohl die meisten Tiere auch mit Verletzungen sehr scheu bleiben…und wie in diesem Fall: Wegfliegen.

Sommer Abenteuer: Am Strand und bei den Brombeeren

Ausblick auf die rauschende Ostsee

Gestern waren wir nach einem ausgiebigen Frühstück am Strand. Wir fuhren um die Mittagszeit mit unseren Fahrrädern los und nahmen den ruhigeren Weg durch den Wald, der sich am Ende als sehr beschwerlich erwies. Er führte nämlich durch sandige Wege, die mit dem Rad nicht befahrbar waren und hohe Sandberge überraschten uns. Nein, Dünen waren es noch nicht. Fand ich alles natürlich nicht so toll und schwitzte mich ab… So unkomfortabel zum Strand zu kommen war gar nicht mein Ding. Und das nur, um den Kurtaxen-Mann zu umgehen…. Aber okay, wir kamen bald zum Ziel und es standen sogar andere Fahrräder am Strandaufgang, die sicher auch keine allzu bequeme Anreise genossen.

Der Strand war in der ‚Abteilung‘ dünn besiedelt und wir mussten nicht weit laufen, um einen guten Platz zu finden. Der Mainstream-Strand war viel weiter vorne, in zentraler Ortsnähe. Dort wo wir waren gab es nicht einmal einen Rettungsturm. Wir mussten also auf uns aufpassen.

Wir bauten unsere Strandmuschel auf, die eigentlich ein riesiger Strandzelt war. Es dauerte nicht lange und wir konnten uns hereinlegen. Die Muschel baute sich selber auf, wir mussten sie nur im Sand feststecken, damit sie nicht wegfliegt. Es war recht windig. Da es windig war, fühlte sich die Luft auch weniger warm an, sondern kühl. Und ich hatte meine maritime Sweatjacke nicht mit – welch großer Ärger an dem Tag! Sonst hatte ich immer alles dabei. Ich bereute es mehrmals… die schöne Kuscheljacke…

Das Zelt war blau, allein die Farbe kühlte schon. Eine Decke aus Fleece wärmte uns und wir aßen kurz nach der Strandankunft eine Tüte Haribo Marshmallows. Sehr sehr lecker, lange nicht mehr gegessen. Sollten wir viel öfter kaufen. Die Bauchschmerzen kamen dann am späteren Nachmittag. Zu viel des Guten!

Wir dösten vor uns hin und genossen das Geräusch der brausenden Wellen, denn die waren an dem Tag besonders lebendig und rollten schaumig ans Land. Na klar gingen viele Leute ins Wasser und stürzten sich in die Fluten. Nur wir waren uns nach und nach nicht mehr sicher, ob wir das auch wollten. Uns beiden war irgendwie kalt. Es war eben kein heißer Sommertag, an dem wir eine Abkühlung brauchten. Ich fand es letztes Jahr schon kalt im Wasser. Irgendwie und leider bin ich empfindlicher geworden, was das Baden betrifft. Mittelmeer oder Karibik fände ich bestimmt gemütlicher!

Gegen Ende gingen wir mit den Füßen ins Wasser und das reichte uns. Vielleicht kommt noch mal ein anderer Tag, an dem es heißer oder windstill ist. Dann kann man es wagen, in die Ostsee zu gehen. Trotz alledem war es ein schöner Tag am Strand. Es kommt selten vor, da wir nicht so die Strandgänger sind. Da reichen uns schon 3 Stunden. Viele Leute machen hier Urlaub und wir wohnen hier. Schon blöd, wenn der Strand uns nicht so oft in Badesachen sieht!

Heute waren wir natürlich auch unterwegs: Nach Peenemünde zu den Brombeersträuchern. Jetzt im August sind sie reif und das dürfen wir nicht verpassen, geht die Saison doch wieder schnell zu Ende.

Der Radweg nach Peenemünde ist einer unserer Lieblingsradwege. Durch Wälder und Wiesen, das ist toll. Und der Weg hat einfach etwas Besonderes in jeder Jahreszeit. Dort ist nicht zu viel los und man ist direkt in der Natur. Ich mag am liebsten die Wälder und der Herbst steht bald vor der Tür, dann wird es noch besser. Alles bunt und regnerische Waldluft…

Als wir zu den Brombeersträuchern kamen, sahen wir schon andere Leute, die fleißig am Pflücken waren. Na toll, dachte ich, da wird ja nicht mehr viel dran sein…Eine Frau hatte einen kleinen Eimer dabei, in dem schon viel drin war. Es gibt noch andere Leute, die Bescheid wissen, dass es dort Brombeeren gibt. Die warten da genauso drauf, wie wir! Und dann gibt es noch Familien und andere Menschen, die einfach vorbeifahren und andere Pläne haben. Für manche ist das nicht so interessant, die fahren nicht extra hin. Die sagen nur: Guck mal, Brombeeren…und fahren passiv weiter.

Wir blieben eine Weile und aßen uns satt – Mann, war das heiß heute! Sonne und kein Wind. Heute wäre der ideale Strandtag gewesen. Aber heute wollten wir nicht mehr. Die Brombeeren waren wichtiger und gesünder. Ich hoffe, ich habe mir keinen Fuchsbandwurm eingefangen, bei all den ungewaschenen Beeren, teils auch aus der unteren Strauchregion. Aber es wird wohl alles gut sein. Das Essen von Brombeeren in der Sonne ist ein richtiges Sommererlebnis, das mochte ich als Kind schon.

Anschließend machten wir einen Spaziergang durch Peenemünde und es war wirklich zu heiß. Die Hitze machte uns träge. Deshalb hielten wir uns dort nicht allzu lange auf. Schöne Restaurants, die nach Fisch riechen, sind an stickigen Tagen jedenfalls nicht so prickelnd. Appetit habe ich nur auf Eis, Getränke und matschige Lebensmittel, die man nicht mehr kauen muss.

Deswegen fuhren wir auf dem Rückweg zu Edeka, um all das zu kaufen. Getränke und Matschkram waren heute das Richtige für mich. Und als wir zu Hause ankamen, trank ich gleich einen Liter erfrischenden Saft und aß ein paar Kekse. Und danach: Intervallfasten ab 17:15 Uhr bis morgen Nachmittag. Das wird gut tun.

Auf der Insel kann man vieles machen. Auch wenn man hier wohnt, kann man hier gut eine Woche zu Hause machen. Jeden Tag ein anderer Plan und immer etwas zu tun. Die kleinen Dinge machen übrigens am meisten Spaß. Es muss nicht immer eine große oder teure Unternehmung sein. Es ist toll, mit dem Fahrrad die Insel zu erkunden oder einfach mal spazieren zu gehen und sich dabei aufmerksam umzuschauen.


Brombeeren im Sommer
Lieblingsort
Segelschiff Weiße Düne – gut besucht

Hafen Peenemünde

Zurück zu Hause! :)

Der Alltag hat mich wieder. Zusammen mit meinem Freund, den ich gestern nach der Arbeit pünktlich vom Bahnhof abholte, begrüßte ich meine lichterfüllte und von der Sonne aufgewärmte Wohnung. Ein doppelt so schönes Gefühl: Nach Hause kommen und sich nach 3 Wochen wieder sehen. Da war die Vorfreude umso höher. Es gab viel zu erzählen, auch wenn ich mich teilweise wiederholte und wir am Telefon schon genug Erlebnisse austauschten.

Wir packten unser Gepäck aus, ich schmiss sofort die Waschmaschine an und anschließend legten wir uns auf die Couch, tranken Kaffee und redeten weiter. Am Abend gingen wir einkaufen, denn der Kühlschrank war leer. Zur Zeit ist das sehr nervenaufreibend, bei all den Touris und den spärlich besetzten Kassen, an denen gestresste Kassierer sitzen, die keine Zeit haben. Ein Kind schmiss obendrein einen Becher Sahne auf den Boden, der dann selbstverständlich kaputt ging und auslief. Die Kasse, an der wir über 10 Minuten warteten, wurde nach dem Vorfall geschlossen und wir sollten uns woanders anstellen – toll!!

Für mich endete der Spaß mit Kreislaufproblemen – ich zitterte, schwitzte und fühlte mich komisch. Typisch…Unterzuckerung….Eigentlich war ich gar nicht mehr richtig da und stand neben mir. Lag jedoch eher daran, dass ich zu wenig gegessen und getrunken hatte… sollte man nicht machen, wenn man im Sommer zur Rush Hour einkaufen geht …und salzige Reiswaffeln sind keine vollwertige Mittagsmahlzeit.

Vollbepackt mussten wir unsere großzügigen Einkäufe nach Hause schleppen, da können 10 Minuten Fußmarsch schon zur absoluten Tortur werden. Blöderweise trug ich hohe Schuhe mit Keilabsatz, die plötzlich ziemlich unpraktisch waren. Als wir endlich zu Hause ankamen, war ich glücklich und erleichtert. Musste nur noch alles in Schränke und im Kühlschrank verstauen… Danach war ich frei und aß in der Badewanne Schokolade und mein Freund spendierte mein Glas Kirsch Cola mit Zero Zucker. Das tat gut!

Danach schaute ich GZSZ zum Entspannen und trank eine Dose Holunder Cider, oder wie das hieß. Jedenfalls niedrig dosierten Alkohol mit Koffein. Trinke ich normalerweise nicht, aber an dem Abend war ich so platt, dass es unmöglich war, davon hellwach zu werden. Sonst putscht mich Alkohol eher auf und sorgt für schlaflose Nächte und schlechte Laune am nächsten Tag.

Heute berichtete jeder von seinem Urlaub. Meine Familie und ich waren froh, wieder im gewohnten Umfeld zu hausen. Urlaub zu haben ist ein schönes Erlebnis, aber wenn er vorbei ist, ist es auch okay. Home sweet home eben.


Heimweh

9 Tage auf dem Land….

Heute ist mein letzter Urlaubstag im Familienhotel. Ab morgen Nachmittag wohnt jeder wieder da, wo er wohnt. Familie Holzbock* kommt zurück aus dem Sommerurlaub und ich fahre in mein Zuhause.

8 Tage sind überstanden – das heißt, heute ist mein letzter richtiger Tag hier. Nochmal das ganze Programm und dann ist Schluss. Früher fand ich ‚Frauentausch‘ immer sehr interessant und nun stecke ich selber in der Situation, nur ohne Tauschfamilie. Hier muss ich mich lediglich um die Tiere kümmern. 2x füttern, bisschen spielen, bisschen Auslauf im Garten und das war‘s. Paar Späße sind natürlich auch drin. Ich kann nicht drauf verzichten, Tiere zu veräppeln…

Maja lag gestern Abend vor der Treppe. Plötzlich kullerte ihr geliebter Tennisball die Treppe hinunter. Hinunter in den Bereich, den sie nicht betreten darf. Die darf nicht ins Wohnzimmer, das hat sie als Welpe in der Hundeschule gelernt. Ich musste lachen, als der Ball wie in Zeitlupe die Treppe hinunter rollte. Majas Blick war einmalig lustig. Sie sah perplex zu und wirkte hilflos. Ich lachte so laut, dass Maja mich total verstört ansah. Sie wusste nicht, was sie machen sollte und konnte mein schadenfrohes Verhalten nicht einordnen. Natürlich holte ich ihr den Ball und sie lud mich gleich freudig zum Spielen ein.

Katze Lori werde ich vermissen. Sie guckt extrem verpeilt und hat einfach einen richtig komischen Ausdruck in ihren Augen. Sie ist niedlich, aber irgendwie auch nicht. Ihre Augen sind ganz anders, als die von anderen Katzen. Dafür hatte sie einen liebevollen, schönen und schlauen Charakter. Sie ist sehr zart, unnormal verschmust und kann sich durchsetzen. Eine mutige Katze, die nach Autos schaut, bevor sie über die Straße geht. Ihren dämlichen Blick werde ich jedenfalls nicht vergessen, der hat mir viel Freude bereitet.

Heute hatte ich richtig Heimweh. Eigentlich schon, seitdem ich ankam – aber heute am meisten, obwohl es nur noch ein Tag ist. Meine Laune sah man mir bestimmt am Gesicht an. Dabei habe ich doch gar keinen Grund zum Meckern. Immerhin wohne ich in einem Haus mit Garten und habe alles, was man braucht. Ist ja nicht so, als würde ich in einer Bruchbude hausen. Für viele mag dieses Landleben ein Traum sein und manche würden sicher gerne tauschen. Für viele nicht verständlich, dass ich mich beschwere, paar Tage auf ein Haus aufzupassen, gibt es doch so viel Schlimmeres. Aber: Es ist einfach nicht mein Leben und das merke ich. Ich führe gerade den Alltag einer anderen Familie und bewohne deren Zuhause. Klar ist das befremdlich. Anderer Ort, anderer Tagesablauf. Keine Möglichkeit einkaufen zu gehen oder Sport zu machen, da die Tiere pünktlich gefüttert werden sollten. Sonst fängt Maja an, den Hausschuh zu zerbeißen und Lori guckt doof aus der Wäsche.

Ja, woanders ist nicht Zuhause. Ich finde es nicht wirklich schlecht, aber auch nicht wirklich schön. Es gibt Vorteile, jedoch überwiegen die Nachteile für mich. Zumal das Wetter all die Tage leider auch nicht mitspielte. Im Garten konnte ich nicht sitzen und die Sonne genießen, denn sie war nicht da. Höchstens mal für wenige Minuten. Aber so, wie ich es mir vorgestellt habe, war es nicht. Ich habe 4 Zeitungen mit, die ich unbedingt lesen wollte, bin jedoch aus vielen Gründen nicht dazu gekommen. Innerlich war ich zu unruhig und war mehr mit Nachdenken beschäftigt. Einfach zu deprimiert zum Lesen. Lesen wollte ich im sonnigen Garten, mit Kaffee – so war der ursprüngliche Plan. Nun nehme ich die schönen Zeitungen ungelesen wieder mit und habe ein schlechtes Gewissen.

Und weil ich mich hier nicht so wohl fühle, habe ich vermehrt Hunger. Das müssen die Stresshormone sein, die auf dem Land ansteigen. Bei all der Einsamkeit und dem gestörten Tagesablauf ist das bei mir kein Wunder. Ich bin sehr sensibel. All das sind Anzeichen, dass ich inzwischen völlig unter Heimweh leide. Ich brauche meinen morgendlichen Weg zur Arbeit – die 10 Minuten mit dem Fahrrad. Das ist toll, um wach zu werden und sich auf den Tag einzustimmen. Dabei spielt das Wetter keine große Rolle, da mein Kleiderschrank alles hergibt. Den vermisse ich übrigens auch sehr. Manchmal dauert es zwar, bis ich mich entscheide, was ich anziehe, aber das ist immer noch besser, als beschränkte Auswahl zu haben. Jetzt lebe ich nur aus dem Koffer und mit den Outfits, die ich mir vor über einer Woche ausgesucht habe. Mit den Konsequenzen muss ich jetzt zurecht kommen. Hätte heute lieber etwas anderes angezogen…

Vorhin habe ich zum letzten Mal den Staubsauger benutzt. Auch da bin ich froh, bald wieder meinen zu haben, da dieser für mich fast nur Nachteile hat. Mit dem werde ich mich nicht mehr anfreunden, er wird meinen (gar nicht allzu hohen) Ansprüchen nicht gerecht. Und auch mit den Mülleimern bin ich nicht zufrieden. Eingebaut in die Küchenzeile, zum rein- und rausschieben. Gar nicht mein Ding. Und vor allem sind die Eimer viel zu klein…und die Mülltüten sind nicht dicht, der ganze Inhalt ist in die Eimer gelaufen. Ekelhaft….. Für eine Familie völlig ungeeignet. Okay, genug genörgelt. Ist ja nicht mein Problem.

Morgen ist die Welt wieder in Ordnung. Mein Freund Bubu kommt und wir begrüßen zusammen meine Wohnung. Dann ist wieder alles hell und mit positiver Energie gefüllt. Dort gibt es gute Laune und mein Alltag läuft wieder geregelt. Zusammen mit Bubu ist alles außerdem noch viel schöner. Im Moment steigt also die Vorfreude wieder leicht an, denn es ist schon abends und alles ist bald geschafft. Die Tiere kriegen gleich ihr Futter und ich werde noch eine abendliche Runde durch den Garten drehen und die Mülltonne vor die Einfahrt stellen, denn morgen in der Früh kommt das Müllauto und nimmt den Abfall der letzten zwei Wochen mit.

Vielleicht schaue ich abends Fernsehen, das habe ich mir in den letzten gut verkniffen, denn im Wohnzimmer ist es mir zu kalt. Trotz Decke kommt kein Wohlbefinden auf. Da verzichtet man dann auch mal auf seine Lieblingsserien und schiebt Depri oben im Gästezimmer. Im Bett mit über den Kopf gezogener Decke. Ja, es war eine seltsame Zeit… dennoch verging sie überraschenderweise schnell. Dass ich schon so lange hier bin, kommt mir gar nicht so vor.

Nächstes Jahr werde ich wahrscheinlich wieder das Haus betreuen, wenn Familie Holzwurm in den Urlaub fliegt. Vielleicht komme ich dann besser mit den Umständen klar und bin vorbereitet. Eine Landfrau werde ich trotzdem nicht….


Landhaus-Romantik
Auch die Blumen wollen versorgt werden
Blumenpracht
Stockrosen
Pavillon. Ein perfekter Ort zum Entspannen, wenn die Tür aufgehen würde 😂
Fahrradschuppen
Hochbeet und Kräuter

* Name geändert

Abendstunde am Freitag

Momentan mache ich Urlaub im 2 km entfernten Nachbarort und passe auf das Haus meiner Familie (Bruder, Schwägerin und Nichte) auf, die gerade woanders im 30 Grad heißen Süden Urlaub macht. Dabei muss man gar nicht weit reisen, wenn man auf Insel Usedom lebt, denn das ist schon Urlaub genug. Andere fahren weite und stresserfüllte Strecken, um hier her zu kommen und ich, …ich wohne seit knapp 2 Jahren wieder hier in der alten Heimat und fühle mich wohl.

9 Tage pures Dorfleben erwarten mich, so lange bin ich alleine im Haus und versorge Tiere, Garten und natürlich das Haus. Da fällt einiges an. Morgens und abends pünktlich die Tiere füttern und spielen, denn Labrador Maja legt mir immer wieder den zerkauten Tennisball vor die Füße (besonders gerne während ich staubsauge). Am liebsten würde sie ihn wahrscheinlich fressen, da sie ständig so aussieht, als hätte sie Hunger auf den Ball. Sie weiß genau, wo sie suchen muss und welche Gelegenheiten günstig sind, um etwas Essbares zu ergattern. Mülleimer und Geschirrspüler sind für sie die Orte, an denen sie ihr Fressglück wittert, da werden dann schnell mal die Krümel von den Tellern gelegt, die unten im Geschirrspüler stehen…

Das Leben auf dem Land in einem großen Haus kann sich jedoch auch einsam anfühlen, wenn man es nicht gewohnt ist. Man merkt schnell, dass man alleine ist. Alles wirkt still und dunkel, etwas kalt. Die vielen Räume sind leer, unbewohnt… kein Leben. Ab und zu knackt es irgendwo und man weiß nicht, woher die Geräusche kommen. Das Licht spielt manchmal sein Eigenleben, geht an und aus,…und die rustikale Küchenlampe mit dem Dimmer ging schon am ersten Abend kaputt. Neue Glühbirnen wurden sofort nachbestellt, denn ohne Auto hat man nicht die Möglichkeit, exklusive dimmbare Lampen in der Nähe zu bekommen.

Gerade wenn das Haus schon älter ist, passieren Kleinigkeiten, die man nicht gleich einer Ursache zuordnen kann, außer, dass die Technik einfach schon älter ist und das Haus schon einiges erlebt hat. Außerdem gibt es nicht genug Licht und die Steckdosen sind auch rar verteilt. Der Keller ist alt, eine steile Holztreppe führt hinunter. Angst macht es mir nicht. Mich stört nur diese seltsame Einsamkeit. Das verleiht dem Haus eine leicht depressive Grundstimmung – vor allem in den ersten Stunden und Tagen nach der Ankunft. Man könnte meinen, es liegen negative Energien in der Luft. Keine Nachbarn im Haus… Auch die Katze schaut nur morgens und abends kurz zum Fressen vorbei. Sie ist den ganzen Tag unterwegs, trägt aber eine gut funktionierende Uhr in sich.

Das Problem mit den negativen Energien hat sich einige Tage später größtenteils erledigt. Die Gewöhnung tritt ein und man akzeptiert die Situation – es ist schließlich ein Abenteuer, mal woanders leben zu dürfen und dort den Haushalt zu führen. Auch wenn ich keine Menschen versorgen muss 😉 Ich denke einfach nicht mehr zu viel nach, will ich mir sowieso abgewöhnen. Vielleicht findet man durch die Stille wieder mehr zu sich selbst und es tut mittlerweile ganz gut. Ich mag Stille sowieso gerne, bevorzuge es jedoch, dass es in der Nähe noch andere Leute gibt und etwas mehr ‚Treiben‘ herrscht. Sei es der Nachbar, der fröhlich schief singt oder jemand, der mit seinem Auto vor meiner Wohnung parkt und ich ihn aus dem Küchenfenster heimlich beobachten kann.

Nach 5 Tagen Einsamkeit auf dem Land kam Mutti mich für eine Nacht besuchen – vom Freitag zu Samstag, das passte am besten und rüttelte sie nicht zu sehr aus ihrer täglichen Routine. Ich freute mich drauf, weil wir uns gut verstehen und immer viel Spaß zusammen haben. Und ich war mir sicher, dass mit Mutti die häusliche Depri-Stimmung bald wieder vergeht. Ist ja meist so, wenn man abgelenkt wird. Dann vergisst man seine Pseudo-Probleme schnell und alles ist wieder gut.

Am Nachmittag fuhr ich noch Einkaufen, um letzte Besorgungen zu machen. Es fehlten noch paar Sachen für den tollen Mädelsabend. Dabei ist es gar nicht so leicht, Muttis Geschmack in Sachen Essen zu treffen. Egal, was ich kaufe, sie wird es entweder nicht mögen, es ist schon zu spät zum Essen oder sie hat zu Hause schon genug genug gegessen. Es gibt immer einen Grund, Nein zu sagen. Das macht die Sache irgendwie leichter!

Danach fuhr ich kurz in meine Wohnung, ein geliefertes Paket aus dem Schuppen holen. Wäre ja schlimm, wenn jemand es wagt, es zu klauen. Obwohl meine Nachbarn keine Gefahr darstellen. Es war schön, wieder zu Hause zu sein. Good vibes only! In meiner Wohnung ist es schön, positiv und hell. Ja, das vermisse ich. Jeder ist da zu Hause, wo er wohnt. Woanders ist man der Eindringling, der fremde Energien aufsaugt und dann eventuell darunter leidet. So wie ich…

Abends spielte ich mit Maja im Garten und wartete auf die langersehnte Anreise von Mutti, welche von Papa in mein idyllisches Urlaubsdomizil gebracht wurde. Gegen 19:30 Uhr kamen sie dann endlich an und Maja freute sich enorm. Sie sprang die beiden an und verschluckte sich fast an ihrer Sabber,…oder am Ball? Nein, der blieb 3 Tage lang im Dickicht des Rasens verschwunden…bis sie ihn irgendwo wieder fand, obwohl ich alles genau abgesucht hatte….

Papa blieb nicht lange und fuhr nach Hause, um sie am nächsten Morgen um 9 wieder abzuholen. Ich zeigte Mutti das Haus und schlug ihr vor, erstmal anzukommen und sich einzurichten, denn eine gefüllte Reisetasche hatte sie selbstverständlich dabei. Natürlich hatte sie auch etwas zu Essen dabei, aber nicht für sie, sondern für mich. Unter anderem ein Glas Honig. Nachdem sie das Haus ausreichend bezogen hatte, gingen wir auch schon spazieren, um den Ort zu erkunden, den wir wir schon so lange kannten – aber noch nicht gut genug, denn wir fanden neue Wege, die uns unbekannt waren.

Vorbei an Straßen, die wir nicht kannten, an Häusern, die wir noch nie gesehen haben und sehr gemütlich aussagen. Mit Gärten, die zum Verweilen einluden und auch da herrschte wieder diese pure längliche, verschlafene Einsamkeit. Die Einwohner des Dorfes wissen das zu schätzen. Wir staunten über die Schönheit der Häuser und der Natur. Alles war so herrlich einmalig und auch die Abendluft war besonders. Dazu orange Sonnenstahlen auf den Gesichtern vom Sonnenuntergang, der auch Felder und Wiesen in goldenes Licht tauchte. Es war sehr besonders das zu erleben und wir genossen den warmen Abend in der Natur. Weit und breit war niemand zu sehen. Nur Kühe, die in der Abendsonne grasten und es sich gut gehen ließen.

Wir machten viele Fotos, redeten über alles und nichts und philosophierten über die Zukunft. Themen wie: Was wäre wenn…. Werde ich noch zur Landfrau? Mit Haus und Garten? Solche Themen… Meist reden wir so viel, dass wir am Ende wieder vergessen, über was wir gesprochen haben. Nur die wichtigsten Sätze bleiben. Und die Eindrücke des unvergesslichen Abends auf dem Land. Ein Abend, der in Erinnerung bleibt. Natur und ein lauer Sommerabend können sehr nostalgisch und teils auch melancholisch wirken. Das mag ich. Deswegen haben wir eine Menge Fotos gemacht, um uns immer wieder an diese Momente zu erinnern.

Als wir zurück im Haus waren, war der Abend auch schon vorbei. Ich ging in die Badewanne und Mutti machte sich bettfertig, um anschließend noch in ihrem Krimi zu lesen, in dem meist nicht so schöne Sachen passieren, wie die tödlichen Titel bereits verraten. So hatte jeder seine Abendroutine, die man nicht durcheinander bringen darf. Wir sind nämlich beide sehr routiniert.

Gegen 23 Uhr gingen wir schlafen. Da wurde nicht mehr viel geredet. Ich war noch recht unruhig und aufgedreht vom schönen Abend. Zum Glück schlief ich dann allmählich doch noch ein. Gefühlt jedoch nur halb, denn ich hörte Mutti schnarchen. Aber eigentlich schlief ich. Die Nacht war sehr schnell vorbei, um 6 klingelte Muttis Wecker schon, wie immer. Auch am Wochenende als Besucher ist es nicht anders. Natürlich stand ich mit auf, obwohl ich extrem müde war und ich am Wochenende lieber bisschen länger schlafe, bei meinem Schlafmangel. Egal, die Tiere mussten ja auch versorgt werden. Ich trottete so in den Morgen und wurde nicht richtig wach. Bin eben ein kleiner Morgenmuffel.

Wir aßen zusammen Frühstück. Natürlich hatte ich nicht das richtige Brot, nicht die richtigen Kekse und nicht die richtigen Kekse gekauft. Mutti probierte und aß aber trotzdem, um mir eine Freude zu machen. Dazu noch eine Tasse Kaffee, wobei Mutti einen Schluck draufgießen musste, da die Tasse nicht genau bis oben voll war. War klar! Ein Morgen voller Missverständnisse, die nicht schlimm waren. Es ist nichts Neues und wir mögen uns trotzdem. Wir sind eben zwei Steinböcke.

Danach legte ich mich für eine Stunde ins Bett, so müde war ich. Ich döste vor mich hin und hörte Musik. Meist hilft das schon gegen Müdigkeit. Einfach nur entspannen. Nach und nach wurde ich wacher und kurz vor 9 ging ich runter. Mutti stand im Garten und spielte mit Maja. Dann kam Papa auch schon und der Samstag lief für alle so weiter, wie gewohnt. Die Eltern fuhren einkaufen und ich tat, wonach mir spontan war. Erstmal Kaffee trinken und wieder ins Bett legen.

Der Besuch war kurz, aber gefüllt mit schönen Erinnerungen und eine tolle Zeit zu zweit. Komisch, wie schnell die Zeit verfliegt. Danach war wieder alles so, als wäre nichts gewesen. Das machte mich nachdenklich. Alles vergeht so schnell. Minuten, Stunden, Wochen, Jahre… Momente, die erst waren, sind bald Vergangenheit. Manches war gefühlt erst gestern, dabei liegen 15 Jahre dazwischen…

😍
Feldweg, ehemalige Strecke unserer Radtouren – auch abends
Lauer Sommerabend
❤️
Happy
Selfie 🤳🏻
Grasende Kühe, die neugierig sind
Dancing in the sun ☀️
Entspannung im Garten

Landleben und mittendrin Katze Lori

Guten Appetit, kleiner Gartenbewohner
Maja
Landhaus Idylle

Weiße Gestalt…

​​…am Lago Maggiore sagt ‚hallo‘ 😂

Italien: 14.5. – 20.5.2017

We are cool tourists ❤️

Guten Morgen

Neuer Liebling

Dress to impress.

Aus Como

Bella italia 

Coffeetime

Die letzten 6 Stunden vorm Urlaub. Und dann geht es hoffentlich in die Sonne.

Meeting Heidelberg

Der Anlass für meine Reise war ein Job. Aber ich erlebte noch viel mehr.

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1. Tag/Donnerstag: Anreise & Stadtrundgang

Frühstück:
– 1 Vanille-Pudding mit Sahne
– 3 kleine Schokoriegel
Vormittag/Nachmittags:
– 1 Tüte Gummibärchen
Abends:
1 Veggie-Sandwich mit Chili-Sauce
Tonic

9 Stunden in einem Zug mit reserviertem Sitzplatz am Fenster – das konnte nur gemütlich werden! Zumindest blieb ich verschont von Verspätungen, kurzen Umsteigezeiten oder Sitzplatzgedrängel.
Der Platz neben mir blieb frei. Ich war gespannt, wie lange das so bleiben würde.
Nach ungefähr einer Stunde bekam ich einen Sitznachbarn – einen älteren Herrn Ende 60. Er war höflich und fragte sogar, ob der Platz noch frei wäre. Dann legte er sein Gepäck auf die Ablage über mir ab und verhielt sich still. Seitdem er da war, hatte ich den Geruch von Alkohol in der Nase. Auf seinen Füßen stand eine Tüte. Aber ich konnte den Inhalt nicht erkennen.

Bis Hamburg fuhr ich rückwärts und irgendwie gewöhnte ich mich daran. Mit der Hoffnung, dass sich die Fahrtrichtung später noch änderte.
Als der Zug in Hamburg hielt und sich der Mann neben mir kurz abmeldete, schaffte ich es endlich, die Tüte mit den Süßigkeiten aufzumachen. So konnte ich wenigstens niemanden mit diesem Tütengeraschel belästigen und in Ruhe essen, so lange der Mann weg war. Mein Papa hasste es früher, wenn ich aus ‚knisternden Tüten‘ aß. Ich durfte es nicht und mache es heute immer noch heimlich. Er sagte: „Ich will nicht, dass du dick, hässlich und dumm wirst.“
Die Macht der Erziehung. Mein Papa war Kapitän und Lehrer, da gab es keine Widerrede. Ich höre seine Worte noch heute jeden Tag in mir.
Als der Mann wiederkam, versteckte ich die Tüte schnell in der Handtasche. Ich hatte keine Ahnung, von wo er kam. Vielleicht war er draußen rauchen oder auf der Toilette.
Als der Zug nach einer halben Stunde wieder seine Fahrt fortsetzte, ging es zum Glück in Fahrtrichtung weiter. Das entspannte mich sehr.

Dann kam die Schaffnerin. Als ich ihr mein Handy hinhielt und sie das Ticket mit einem Blitzgerät abscannte, staunte der alte Mann.
Er kommentierte: „Mit dieser neuen Technik würde ich nie zurecht kommen und das will ich auch gar nicht. Diese komischen Codes sind nichts für mich. Das ist alles kompliziert. Da sind die normalen Fahrkarten immer noch am besten. Aber Sie sind ja noch sehr jung. Sie verstehen das sicher alles, oder?“
„Klar, sonst hätte ich nicht so ein Ticket“, antwortete ich. Aber auch für mich war es eine Premiere – mein erstes Handyticket und ich war mir nicht sicher, ob das wirklich problemlos funktionierte.
„Ja, Sie sind noch sehr jung.“
Gehörte dieser Satz schon in die Kategorie der semi-charmanten Anzüglichkeiten? Mir kam es ein bisschen so vor. Immerhin hatte der Mann inzwischen eine angefangene Bierdose in der Hand. Im Alter verträgt man nicht mehr so viel Alkohol und übertritt Grenzen. Besonders in Verbindung mit beginnendem Alzheimer. Da kommt es leicht zur Selbstüberschätzung und man fühlt sich plötzlich viel jünger, wenn die Vergangenheit wieder zur Gegenwart wird.
Ich sagte nur: „Ja, bin ich“, und drehte mich zum Fenster, um durch meine Körpersprache Desinteresse zu verkünden.
„Okay, dann hören Sie mal weiter Musik. Ich will Sie nicht weiter belästigen.“
Oh, er verstand mich und ich musste lächeln.
„Sie hören doch Musik, oder“, hakte er noch einmal neugierig nach.
„Ja.“
Danach sagte er kein Wort mehr und nippte an seiner Büchse Alkohol.
Fand ich nicht gerade prickelnd. Musste das im Zug sein?
In Osnabrück stieg er aus. Mit den Worten: „Ich wünsche Ihnen noch eine schöne Reise und viel Spaß!“
Das war freundlich von ihm und mein abweisendes Verhalten tat mir in dem Moment etwas leid.
„Danke! Gleichfalls“, erwiderte ich. Dann war er weg.

Ein wenig später kam der nächste Mann, der neben mir sitzen wollte. Er fragte nicht und sagte kein Wort. Er war dick und nahm den ganzen Sitz ein. Außerdem hatte er ein Buch, worin er mit einem Kugelschreiber einzelne Sätze unterstrich. Ich konnte nicht entziffern, was das für ein Buch war. Aber der Mann blieb nicht lange und stieg nach zwei Stationen wieder aus.

Mein Platz neben mir blieb nie lange frei. Aber wenn er frei war, nutzte ich die Zeit, um etwas zu essen. Ich brauchte Zucker, da ich langsam müde wurde. In der vorigen Nacht schlief ich kaum und der Mangel machte sich nun allmählich bemerkbar. Dennoch wollte ich im Zug nicht schlafen, um nichts zu verpassen und zählte die Stunden bis zur Ankunft. Es waren viele Stunden, die schnell vergingen. Wahrscheinlich, weil ich mich nie langweilte.

Dann bekam ich ausnahmsweise Gesellschaft von einer Frau. Auch diese erkundigte sich erst einmal nach der Verfügbarkeit des Platzes. Ich nickte ihr zu. Sie sah aus, als würde sie bei RTL arbeiten und sie stieg passend in Köln wieder aus.

Im Ruhrpott war viel los, der Zug war ständig voll und die Gäste wechselten im Stationentakt. Ich konnte mich also darauf gefasst machen, dass ich sensorisch bald wieder einen neuen Nachbarn kennenlernte. Selbstverständlich kam ein Mann. Ohne zu fragen, ohne Worte und sehr neutral. Ich hatte nichts an ihm auszusetzen und hatte auch keine Lust mehr, ihn in irgendeine Schublade zu stecken. Meine Beobachtungen endeten und ich achtete umso mehr auf die Landschaft, die sich inzwischen stark veränderte – zum Flachland zum Bergland. Der Zug fuhr nun direkt am Neckar entlang, mit all seinen verträumten bunten Häusern mit vielerlei Schnörkeln. Es war wie eine andere Welt. Wie ein kleines Märchen. Ich war schon mehrmals in dieser Gegend und jedes Mal machte diese Idylle mich glücklich.
Zwischendurch kam der Schaffner durch die Reihen. Jedes Mal fragte er im Pfälzer Dialekt: „Servus! Ist noch irgendwer zugestiegen?“ Er klang schon beinahe genervt, als die Gäste sich desinteressiert verhielten, sich absichtlich in ihre Zeitungen vertieften und sich niemand angesprochen fühlte.

Die restlichen 1.5 Stunden Fahrt verbrachte ich alleine mit meiner Handtasche neben mir, da inzwischen genug andere Plätze frei waren. Es wurde deutlich ruhiger im Zug und es gab keinen Stress mehr an den Bahnhöfen. Ich aß ungestört die restlichen Gummibärchen. Zwischendurch checkte ich mit dem Handy die Lage meines Hotels, das sich direkt in der Innenstadt befand. Wäre also kein Problem, es zu finden. Ich konnte es kaum erwarten, endlich dort zu sein. Meine Beine wurden schon lahm. Flüssigkeits- und Bewegungsmangel sowie die Einnahme der Pille zählten zu den perfekten Thrombose-Risikofaktoren. Ich könnte bald Patient werden, die Heidelberger Uni-Klinik ist bestimmt aufregend!

Als ich am Abend in Heidelberg ankam, war der Bahnhof überfüllt mit Menschen. Es irritierte mich. So viele Menschen. Zu viele. Erster Eindruck: Heidelberg ist eine sehr internationale Stadt. Zweiter Eindruck: Viel Verkehr und das Hochhaus mit dem Namen ‚Print Media Academy‘ verlieh der Stadt einen außergewöhnlich wichtigen Touch.
Während ich an den zahlreichen Ampeln wartete, stellte ich fest, dass Mercedes, Audi und BMW die Hauptvertreter der Verkehrsmittel waren. Zwischendurch schlich sich auch mal ein Ferrari ein.

Ziemlich erschöpft erreichte ich bald das Hotel. Eigentlich war ich völlig fertig. Beim Einchecken wurde ich gefragt, ob ich jeden Tag Frühstück essen will und in welcher Form ich gerne bezahlen möchte. Dabei war ich mir sicher, dass ich diese Angaben schon bei der Buchung machte.
Also sagte ich: „Ich hab mit Frühstück und mit Kreditkarte gebucht.“
Aber irgendwie waren die Daten wohl nicht vollständig angekommen. Dann kam mir plötzlich der Gedanke auf, dass die Karte vielleicht nicht mehr richtig funktioniert. Oder dass alles am Ende doppelt abgebucht wird. Ich wartete erst einmal ab. Dann steckte die Frau an der Rezeption meine Karte ins Gerät und als ich sie wiederbekam fragte ich: „Hat alles geklappt? Also mit der Karte?“ Die Frau schaute mich etwas verwundert an und sagte dann: „Alles in Ordnung. Hier ist der Beleg.“
Dann gab sie mir den Schlüssel und ich huschte eilig die Treppen hoch. Die Tür bekam ich erst beim vierten Versuch auf. Ein Glück, dass mich in solchen Momenten nie jemand beobachtete.

Das Zimmer in der 2. Etage war perfekt. Rosa Wände, lila Vorhänge, Nachttischlampen mit Schirmen in Perlmutt und ein Boxspringbett mit einer winzigen Tüte Gummibärchen auf der Bettdecke. Und dass, obwohl ich noch zwei Tüten in der Tasche hatte. Eine Tüte reichte schon, um nicht mehr davon essen zu wollen. Die Lust auf Süßigkeiten verschwand schnell wieder.
Der Schreibtisch war super, denn den brauchte ich zum Arbeiten. Der große Flachbildfernseher hing direkt darüber. Ich musste sofort an einen Freund denken und sendete ihm ein Bild vom TV: ‚Den Fernseher würdest du lieben, du Freak.‘ Er schrieb gleich zurück: ‚Oh jaaaaa…….‘ Dann schickte er mir Bilder von seinem gestrigen Filmabend. Im Vordergrund standen einige Flaschen Alkohol, Nüsse und Chips.
‚Das erinnert mich an deine Nussgeschichte‘, antwortete ich. Danach rief er mich an und wir lachten uns über diese Geschichte tot. Heidelberg wurde kurz zur Nebensache. Am Ende des Gesprächs gab er mir jedoch die Aufgabe, genug Fotos zu machen.
Leider hatte das Zimmer keine Badewanne. Leider. Aber so konnte ich mich abends besser auf die Arbeit konzentrieren. Obwohl Baden ein schöner Ausklang gewesen wäre.

Nachdem ich meine Sachen ausgepackt und mich genug ausgeruht hatte, machte ich meinen ersten Rundgang durch die Stadt, um mir eine Gesamtorientierung zu verschaffen, damit ich wusste, was mich in den nächsten Tagen erwartete und wo ich überall hinmusste.
Zuerst schaute ich mich in der Weststadt um und danach in der Altstadt, wo viel mehr los war. Abends wirkte die Stadt leicht orientalisch und ich bildete mir ein, ständig den Geruch von Gewürzen in der Nase zu haben. Ein Stück Indien und in einer anderen Ecke wieder ein Hauch Asien. Mein Blick war mal wieder wie erstarrt, als ich die ganzen Menschen sah. Die Restaurants waren auch alle voll.

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Die Geschäftsstraße (Hauptstraße) war ewig lang. Mir kam sie endlos vor. Sie ist tatsächlich die längste Shoppingmeile Deutschlands mit einer Länge von über 2 km. Die Läden machten mich fertig, es waren zu viele und sorgten bei mir für eine alarmierende Reizüberflutung, auf die ich lieber verzichten sollte. Mir wurde etwas schwindlig. Aber das lag wahrscheinlich eher daran, dass ich nach der langen Anreise etwas essen musste.

Ich hatte Hunger und konnte das Gefühl nicht länger ignorieren. Aber ich wollte in kein Restaurant. Ich wollte etwas Einfaches, aber auch kein Fast Food. Letztendlich stand ich wieder vor dem üblichen Desaster: Ich wusste nicht, was ich will – wie immer, wenn ich richtig Hunger habe. Bevor ich mit Nichts wieder zurück ins Hotel ging, holte ich mir ein warmes Veggie-Vollkorn-Sandwich.
Danach ging ich bis zum Ende der Hauptstraße und kehrte um. Die Leute waren teilweise sehr komisch und beängstigend, deswegen wollte ich den Abend auf der Straße nicht allzu lange hinauszögern, da ich alleine unterwegs war und somit genug Angriffsfläche bot.

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Gegen 20 Uhr war ich zurück im Hotel, aß mein Sandwich und es machte wahnsinnig satt. Ich fühlte mich, als hätte ich einen Stein gegessen. Mit diesem Stein im Bauch ging ich duschen. Eine Viertelstunde goss ich mir viel zu heißes Wasser über den Körper und fand es entspannend. Mein gestörtes Schmerzempfinden war daran Schuld, dass ich es toll fand.
Nach dem Duschen war das halbe Bad überschwemmt und voller Dampf. Die weißen Handtücher wurden nach dem Abtrocknen als Bodenwischer und Teppich zweckentfremdet.

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(22 – 1 Uhr Meeting)

Nach dem Meeting endete der lange Tag und ich schlief sofort ein. Ohne meiner besten Freundin weitere Infos zu geben.

2. Tag/Freitag: Altstadt, Schloss & Bergbahn
Frühstück:
1 Brötchen mit Käse und Nutella
Vanille Quark
Banane
Mini-Quarkschnecke
Kaffee, Multi-Saft
Nachmittags:
Kaffee + Vanille-Eis + Sahne
Abends:
1 Kurfürstenkugel
Tonic

Am 2. Tag wurde ich gegen 4 Uhr wach, so, wie es neuerdings üblich ist. Danach folgte ein Halbschlaf: Ich träumte die Gedanken, die gerade in meinem Kopf aufblitzten. Schön, wenn man seine Träume so beeinflussen kann.
Gegen 7:30 Uhr klingelte mein Wecker und holte mich aus einem erotischen Wachtraum, in dem es um einen Mann ging. Ich atmete erst einmal tief durch, bevor ich aufstand und zum Frühstück ging.
Auf das Buffet war ich gespannt, da das Frühstück hier den Part der Hauptmahlzeit übernahm.
Das Bad war immer noch nass vom letzten Abend. Aber ich schaffte es irgendwie, nicht darin auszurutschen und ich schaffte es auch nicht, über diese kleine Stufe zu stolpern, die sich genau in der Mitte zwischen Klo und Dusche befand. Ich stieß mir nur kurz den Zeh daran und merkte es mir für die nächsten Tage.

Dann ging ich zum Frühstück. Meine Schuhe machten ungewöhnliche Geräusche, als ich die Treppen hinunterging. Die Sohlen waren mit Luft gefüllt und ließen bei jeder Stufe Dampf ab. Nach jeder Stufe ertönte ein leichtes luftiges Zischen.
Ich begrüßte die Frau an der Rezeption so, als wäre ich kein Morgenmuffel und bog zum Frühstücksraum ab, in dem nur vier Leute saßen. Alles Männer mit Notebooks und Handys. So so…
Ich hatte mein Handy nicht dabei. Grund: Achtsamkeitstraining.
Das Buffet war in Ordnung. Es gab Dinge, die ich sonst auch esse. Aber es gab auch Dinge, die sie nicht hatten. Ich war trotzdem zufrieden, da essen ja nicht so wichtig ist.

Nach dem Frühstück blieb ich nicht mehr lange im Hotel, sondern ging durch die Stadt. Es waren weniger Leute unterwegs, als am vorigen Abend. Viele Läden machten erst um 10 Uhr auf. Ich lief flüchtig die Straße entlang und schaute, welche Läden mich interessierten. Es waren nicht viele, da es die meisten davon auch in meiner Stadt gab und ich sowieso Königin im Internet-Shopping bin, weil ich zum ‚richtigen‘ Shoppen einfach zu wenig Zeit habe.

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In Heidelberg sah man viele Asiaten, die ständig Selfies von sich machten und denen nichts zu peinlich war. Ich konnte es kaum fassen, wie verrückt die waren, mit ihren Metallstäben in der Hand und dem Handy dran. Immer wieder beobachtete ich diese Grüppchen, die kichernd sich und alles knipsten. Einfach so. Und jedes Mal zog ich die Augenbrauen hoch, wenn direkt vor mir schon wieder Selfies gemacht wurden. Verrückt. Was war bloß los mit diesen Leuten? Ich würde schlechte Laune kriegen, wenn ich dauernd Bilder von mir machen würde. Vor allem: Was macht man mit diesen Bildern, die alle gleich aussehen? Für ein Fotoalbum ziemlich langweilig.
Okay, ich versuchte, mich nicht zu sehr auf diese Leute zu fixieren, obwohl mich deren Verhalten teilweise sehr schockierte.

Dann fand ich endlich mal jemanden, den ich ansprechen konnte. Er stand neben seinem Mini-Cabriolet-Bus auf dem Karlsplatz und ich hatte Interesse an einer Sightseeingtour.
„Hey! Kann ich hier noch mitfahren?“, fragte ich etwas aufgedreht.
„Erst in einer Stunde wieder. Die Fahrten sind stündlich!“
„Okay, dann bis nachher.“

Um 11 Uhr also. Eine Stunde Zeit zum Shoppen. Die Souvenirläden waren überraschend unspektakulär. Nur teure Kuckucksuhren und verzierte Kannen aus Zinn für ältere Generationen. Erinnerte mich ein wenig an den Zinnmann aus ‚Der Zauberer von Oz‘.
Die Läden bestanden größtenteils aus Kitsch. Dinge, die man sich anschaut, ohne einen Zweck darin zu finden. Die Japaner fanden das bestimmt alles toll und aufregend. Deswegen gab es den Laden ‚Unicorn‘. Zauberhaft im ersten Moment. Aber nach Betreten des Ladens stellte sich heraus, dass dort alles in chinesischer Schrift gekennzeichnet war. Ein Paradies für die Selfie-Paparazzi.
Es gab so viele Asiaten, dass (ungefähr) zwei von ihnen beschlossen, ein eigenes Geschäft zu gründen, in dem genau die selben Dinge verkauft wurden, wie in den deutschen Läden, die sich fast genau daneben befanden. Wow! Und anscheinend hatten sie eine gute Idee, denn der Laden zog genug Besucher an. Ich hingegen war nach einer Runde schnell wieder draußen, als ich mitbekam, dass sich darin eine andere Welt ohne Buchstaben befand. Eigentlich fühlte ich mich ein bisschen unwillkommen.

Ich hatte die Nase voll. Kein Shoppen mehr!
Mittlerweile füllte sich die Stadt immer mehr mit Menschen, die wahrscheinlich besser wussten, wonach sie suchen und was sie brauchen. Mir fehlte nichts, deswegen hatte ich keine Ahnung, was ich brauche. Das einzige, was ich brauche, sind neue Erfahrungen, die sind am wertvollsten. Den Rest der Zeit vertrieb ich mir, in dem ich hin und her lief.
Kurz vor elf war ich beim Cabriolet-Sightseeing-Bus, der schon fast komplett voll war mit alten Leuten. Okay. Wenn ich Glück hatte, war noch ein Platz frei.
„Ist noch was frei?“, fragte ich den Fahrer.
„Bist du alleine?“
„Ja.“
„Dann ist noch was frei.“
„Wie teuer ist das?“
„9 Euro.“
Ich gab ihm das Geld, suchte mir einen Platz und guckte mir die anderen Fahrgäste an, die alle ein halbes Jahrhundert älter waren und mit den Kopfhörern am Sitz nicht klarkamen.
Ich entdeckte nun auch durch Zufall, dass unten ein Aufsteller (mit Preisen, Route, Abfahrtzeiten in rot) stand. Wie blind ich manchmal bin.
Bevor der Bus losfuhr, erklärte der Fahrer, wie man die Kopfhörer einstellte: 2 + (++++ je nachdem, wie taub man schon war). Mein Kopfhörer hatte ab und zu einen Wackelkontakt, wenn der Bus eine Kurve fuhr und es wurde nicht besser, wenn ich daran herumfummelte.
Die Sightseeing-Tour war toll und half mir dabei, mich auch mal wie ein Tourist zu fühlen, obwohl ich nicht zum Urlaub dort war. Der Bus fuhr durch alle Stadtteile – bei ca. 150 000 Einwohnern auch kein Problem.
Ich war als Kind schon einmal in Heidelberg, habe aber nur die Erinnerung, dass die Rutsche so heiß war, dass ich schrie und bei der Hitze ständig extremen Durst hatte. Ansonsten fehlen alle Erinnerungen, weil ich noch zu klein war.
Die Bustour ging knapp 45 Minuten. Da es sonnig und warm war, wurde auch niemand nass.

Nach der Bustour war Leerlauf.
Vor der Heiliggeistkirche standen auf einmal viele schwarze Autos. BMW, Mercedes, Audi.
Hinweis auf eine wichtige Audienz. Aber ich sah niemanden, bis auf die Leute, die alle um mich herum standen. Als ob irgendetwas gewesen wäre.
Hm.
Ich ging in die Kirche, um zu gucken, was da los war. Vielleicht fand ich dort die Leute, die zu den Autos gehörten. Und ja, sie hielten sich tatsächlich in der Kirche auf. Auf jeden Fall ging es um keine Beerdigung und um keine Hochzeit, sondern um andere Dinge.
Später, als all der Trubel weg war, ging ich noch einmal in die Kirche. Für ein paar stille Minuten.

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Danach guckte ich mich in der Stadt weiter um. Nachdem ich in zwei Läden doch noch etwas Schönes fand, ging ich zurück ins Hotel, um mich auszuruhen und um die Sachen wegzubringen, die ich nicht länger mit mir herumschleppen wollte. Ich hatte Angst, dass die Papiertüte durch die Schwere des Inhalts (2 Flaschen Alkohol) riss. Im Hotel legte ich mich hin und entspannte mich eine Stunde.

Zurück in der Stadt holte ich mir beim Bäcker (Cafe Gundel) 2 Kurfürstenkugeln, um mir rechtzeitig mein Abendbrot zu organisieren. Vor mir stand jemand, der wissen wollte, was das für runde Dinger sind und was da drin ist. Ich konnte seinen Dialekt kaum verstehen. Wisch-Wasch-Deutsch. Die Kugeln füllten die Hälfte meiner Handtasche aus und ich hoffte, dass sie nicht allzu sehr kaputt gingen, nach dem Herumgetrage in der Wärme.

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Was ich eigentlich noch machen wollte: Ich wollte zu Fuß zum Schloss hochgehen.
Aber die Bergbahn kam dazwischen, dessen Haltestelle ich zufällig groß ausgeschildert mitten in der Altstadt fand. Okay, dann mache ich das zuerst, dachte ich. Zum Schloss konnte ich später immer noch gehen. Oder morgen.
Die Warteschlange vorm Ticketschalter löste sich schnell, es war nur eine Familie mit Kindern.
Als ich dran war, bekam ich ein Kombi-Ticket: Hin- & Rückfahrt zum Königstuhl + Eintritt für das Schloss. Alles 12 Euro. Wirkte nicht nach Touristen-Abzocke.
Die Bergbahn kam nach wenigen Minuten. Ich setzte mich in einen mittleren Wagon an den Rand und wagte es einige Male, einen Blick nach unten zu werfen. Es sah komisch aus, weil die Bahn ziemlich schräg nach oben fuhr (ca. 40 % Steigung) und nur an Seilen, die sich unter den Schienen befanden, ‚hochgezogen‘ wurde. So verstand ich es jedenfalls. Über der Bahn waren keine Kabel und Masten zu sehen.
Die Bahn hielt am Schloss und ich stieg aus. Es war wahnsinnig heiß und mir wurde komisch. Kreislaufprobleme. Ich habe leider immer noch nicht gelernt, IMMER Wasser und Traubenzucker dabei zu haben. Oder mir zwischendurch einfach mal etwas zu kaufen.
Überall waren Menschen und eine Menge Asiaten, die auch hier wieder bei jeder Gelegenheit ihr typisches Selfie-Programm abzogen. Aber okay, ich gewöhnte mich langsam daran. Sie waren einfach so und ich akzeptierte es.

Das Schloss war natürlich riesig, teils gut erhalten, teils zerstört. Ich ging durch das hübsche Elisabethentor, vor dem sich die Japaner schon fleißig knipsten und landete danach mitten im Geschehen. Jedoch hatte ich mir von dem Schloss irgendwie mehr vorgestellt. Letztendlich gelangte ich zur Aussichtsplattform, die mir am besten gefiel. Man hatte den perfekten Blick über die Altstadt und ich versuchte mir vorzustellen, wie sich die Leute früher wohl gefühlt haben, als sie dort standen.

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Ins Schloss selber kam ich leider nicht. Oder ich war einfach zu blind, um den Eingang zu finden. Ich sah ’nur‘ das große Fass des Heidelberger Schlosses. Aber ich wusste nicht genau, was es damit auf sich hatte (…und ob es gefüllt war?…Mit Wein?). Es hatte jedenfalls monströse Maße. Ich konnte dem Fass nicht viel abgewinnen und entfernte mich rasch aus dem Keller, ohne mir das Fass noch einmal von oben angeschaut zu haben.
Als ich draußen war, suchte ich nach anderen Eingängen und fand nur die Tür zum Apothekenmuseum. Bevor ich dort meine Erkundungstour fortsetzte, lief ich durch den großen Schlossgarten. Enttäuschend, so ganz ohne Blumen und Prunk. Lediglich einige Baustellen waren zu sehen. Die Aussicht wurde zudem mit zugebretterten Zäunen versperrt – netterweise mit ausgestanzten Gucklöchern, damit man zumindest ein bisschen was sehen konnte. Ich hätte mir den Schlossgarten gerne weiter angeschaut, hatte aber das Gefühl, dass die Zeit drängt und ich mich beeilen müsse. Wahrscheinlich sah ich nur ein Bruchstück des Gartens. Die Schilder um mich herum zeigten mir, dass es noch andere Ecken gab.

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Auf dem Rückweg kreuzte ich eine Hochzeit, die auf dem Innenhof des Schlosses stattfand. Genau die Situation, die ich am allerliebsten meide. Leider musste ich erst einmal warten, bis der Fotograf ausreichend Fotos gemacht hatte. Also stand ich ungeduldig auf der Treppe und schaute mir ziemlich angepisst die ganze Szenerie an. Ich hasse Hochzeiten. Das ist der glänzende Weg ins Aus, obwohl ich es inzwischen manchmal auch anders sehe, mir aber trotzdem nicht sicher bin, was ich von einer Hochzeit halten soll. Selbst bei der Hochzeit meines Bruders konnte ich mich damals nicht zusammenreißen und zickte nur herum. Meine Antwort auf alle Fragen (Essen? Tanzen? Sekt?) lautete: Nein. Und dass, obwohl ich seine Trauzeugin war und für diese Aufgabe sogar mit einer ehrwürdigen Urkunde belohnt wurde. Heute weiß er, dass seine kleine Schwester mit ihrer Heiratsphilosophie recht hatte.
Als sie mit dem Hochzeits-Posing fertig waren und ich schon fast durch den Ausgang lief, bemerkte ich das Plakat mit dem Apothekenmuseum. Ich las nur: Eintritt frei. Das wusste ich vorher nicht. Da ich vorrangig in einem medizinischen Beruf arbeite, war es nicht verkehrt, sich nebenbei mal etwas weiterzubilden. Es war ein normales Museum: 50% Text und 50% ‚Anschauungsmaterial‘ (Gefäße, Pillen, Utensilien aller Art und die Gerüche alter Kräuter in der Luft). Ich hielt mich dort knapp eine Stunde auf, weil es mich einiges sehr interessierte.

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Ich stieg wieder in die Bergbahn. Beim Einsteigen vergewisserte ich mich noch einmal bei einem Opa und fragte, ob die wirklich nach oben fährt. Obwohl der LED-Pfeil es deutlich anzeigte. Der Opa nickte. Die Bahn hielt zwischendurch einmal und ein kleines Stück später musste man umsteigen in die historische Bergbahn (alte Version). Sie bestand aus Holz. Ich stieg mal wieder in ein mittleres Abteil, da die besten Plätze selbstverständlich schon belegt waren. Jeder wollte gerne entweder ganz vorne oder ganz hinten sitzen, denn das war am spannendsten. Mich erinnerte es im entferntesten Sinne an eine Achterbahnfahrt, nur in Zeitlupe und ohne Loopings. Aber vom Prinzip her ähnlich. Gemischt mit dem Gedanken, was passiert, wenn die Seile reißen. Rollt die Bergbahn dann rasant in den Abgrund oder bleibt sie stehen? Paar der Leute filmten die ganze Fahrt mit ihrem Handy. Wieder eine Sache, die ich nicht verstand. Denn: Wer will das sehen?
Die Endstation der Bergbahn rückte immer näher. Manchmal hatte ich den Eindruck, als würde sich die Station im 90° Grad-Winkel befinden. Jedes Mal, wenn man irgendwo ausstieg, musste man sein Ticket in einen Automaten stecken, damit sich die Schranke öffnete. Ich grinste, weil ich an meine Arbeit denken musste. Dort war auch alles geschlossen.
Die Aussicht auf dem Königstuhl (Berg, ca. 570 m hoch) war überwältigend. Die Häuser waren winzig, man erkannte nicht mehr viel. Aber man spürte den Wind, der deutlich kühler und stärker war. Als ich sah, dass es in den Bergen Heidelberg’s noch viel höher ging, faszinierte es mich umso mehr. Leider kam ich nicht weiter. Der Königstuhl bot an sich nicht viel. Dort stand nur ein Imbiss mit einigen Stühlen, daneben eine Falknerei und zahlreiche Wanderwege in der Umgebung. Ein schwarzer BMW fuhr an mir vorbei. Ich sah eine Mountainbikestrecke und Möglichkeiten für andere Arten des Extremsports, wie z.B. Paragliding. Daneben Schilder mit dem Vermerk, wie lebensgefährlich das alles sei.
Ungefähr 10 Minuten hielt ich mich auf dem Gelände auf. Sportler kamen mir mit ihren Mountainbikes entgegen und ich war in dem Moment neidisch auf sie, weil ich auch gerne fahren wollte. Ich hatte Lust auf Mountainbiking. Stattdessen konnte ich nur dastehen und zugucken, wie sie Spaß hatten. Etwas enttäuscht ging ich zurück zur Bergbahn. Ein letzter Blick von oben nach unten und dann hatte sich die Sache mit dem Königstuhl schon erledigt.

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Diesmal musste ich länger warten, bis die Bahn kam. Ich beobachtete einen älteren Mann in Hemd und Jeans, der dringend auf die Toilette musste und seine Familie mit seinem kindlichen Gequengel schon nervte. Seine Laune verschlechterte sich zusehends und ich amüsierte mich darüber sehr. Keiner wusste, wann die Bahn kommt und er war sich deshalb nicht sicher, ob er es schaffen würde, rechtzeitig eine Toilette zu finden. Als er es nicht länger aushalten konnte, drehte sich um und verschwand hinter der erstbesten Tür, die irgendwo hinführte. Er war weg und die Bahn kam. Alle stiegen ein, seine Familie saß mit mir im selben Abteil und auch der Mann war pünktlich wieder da. Danach quengelte er weiter. Er wollte ganz vorne im ersten Wagen sitzen, weil man da besser Fotos und Filme machen kann. Ich guckte den Mann komisch an. Er wirkte nämlich recht überdreht. Als wir beim zweiten Mal umstiegen, schaffte er es endlich, in den ersten Wagen zu gelangen und bekam zum Schluss seinen Willen. Süß.

Nach dem Erlebnis stand für mich nichts mehr an, außer das spätere Meeting. Ich wollte einfach nur noch einen Kaffee trinken und mich hinsetzen. Schließlich hatte ich bisher keine Pause gehabt.
Ich setzte mich in ein Café und trank Kaffee mit Eis. Mein Körper hatte es nötig, so unterversorgt, wie er war. Trotz meines Kreislaufproblems musste er noch einige Stunden auf diese Energiezufuhr warten. Welch selbstzerstörerischer Spleen. In meinem Magen herrschte danach Winter.

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Am Abend probierte ich die erste Kurfürstenkugel. Sie steckten den Transport in der Tasche nicht allzu gut weg. Immerhin waren die Kugeln dabei, als ich das Schloss besichtigte und den Königstuhl erklomm. Deshalb waren sie abends etwas angeschlagen. Egal, der Inhalt zählte.
Feines Mohrenkopfbiskuit, innen mit einem Kern aus Nugatcréme und außen köstlich von Marzipan und Schokolade umhüllt (Quelle: http://www.kurfuerstenkugel.com/cms/iwebs/default.aspx )

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Nach einer Kugel war ich so satt, dass ich die andere nicht mehr schaffte.

(19 – 22 Uhr Meeting)

3. Tag/Samstag: Philosophenweg & Neckar

Frühstück:
1 Vollkornbrötchen mit Quark, Käse und Nutella
Banane
Schoko-Gries-Pudding
1 Eclair
1 Keks
Kaffee, Saft
Nachmittags:
Cola
Abends:
Salat mit Mozzarella und getrockneten Tomaten mit Balsamico-Dressing
1 Kurfürstenkugel
Wasser

Der Tag begann wie gestern: Aufstehen, Frühstück und Planung des Tages via Handy.
Als ich beim Frühstück saß, kam plötzlich eine Horde Touristen in den Raum. Niemand wusste, ob die Plätze reichen, deswegen wurden die freien Plätze erst einmal gründlich ausgezählt. Aber irgendwie würde es wohl gehen, meinten die Leute dann. Ich war schon fast fertig mit dem Frühstück, wollte mir aber noch einen Saft holen. In der Zwischenzeit räumte die emsige Küchenhilfe schon meinen Platz ab, samt voller Tasse Kaffee, damit die anderen Gäste dort sitzen konnten. Ich rief: „Hey, ich bin noch nicht fertig! Da ist noch Kaffee drin!“ Ich hatte die Tasse eigentlich extra dort stehen lassen, damit klar war, dass ich gleich zurückkomme. Die Tasse war mein Platzhalter! Sofort stellte die Küchenhilfe alles wieder hin, bis auf das benutzte Geschirr. Sie entschuldigte sich und auch eine Frau unter den Gästen entschuldigte sich 2x bei mir. Ich sagte: „Nicht so schlimm. Alles gut.“ Lächeln.

An diesem Tag wollte ich wandern gehen. Im Odenwald auf dem Philosophenweg, der insgesamt ca. 3 km lang war und sich danach noch in andere Richtungen und Höhen schlängelte. Nur der Weg nahm dann andere Namen an.
Wie an jedem Tag musste ich dazu erst durch die gesamte Altstadt laufen, denn um die kam ich nie herum.
Meine Sonnenbrille trug ich immer. Inzwischen kannte ich die Vorteile, die man dadurch hat: Privatsphäre. Die Hauptstraße in der Altstadt war Heidelberg’s Catwalk. Jeder präsentierte sich dort und viele von ihnen leider ziemlich unvorteilhaft. Wenn man dick ist, sollte man sich nicht in einen bunten Jumpsuit quetschen, der von der Muschi gefressen wird. Aber es gab auch andere unschöne Styling-Sünden, bei denen ich nicht weggucken konnte.
Manchmal, wenn mir alles zu viel wurde, ging ich stur geradeaus – ohne nach links und nach rechts zu schauen – Kopf ein bisschen weiter nach oben, ohne Mimik im Gesicht und wartete ab, was passierte. Die Leute machten Platz und einige guckten hinterher, wobei die Gäste in den Cafés immer die Schlimmsten waren. Die waren schließlich eh nur zum Gucken da.
Manchmal, wenn mir danach war, nahm ich meine Sonnenbrille ab, suchte mir ältere Männer aus und lächelte sie einfach mal an. Da die meisten von denen Familie hatten, waren sie mit meinem Lächeln schon überfordert. Pech gehabt. Es tat mir ein wenig Leid – für sie und für mich.

Ich suchte die Gasse, durch die ich zur Alten Brücke kam. Aber ich nahm immer die falsche Gasse und ging letztendlich woanders lang, wo ich jedoch auch zum Ziel kam. Auf der Alten Brücke stand sie wieder – die Selfie-Population. Sie machten Bilder von sich und dieser dunklen Katzenstatue.
Die Brücke war mit Menschen überfüllt. Ich blieb stehen, sah herunter zum Wasser und als ich weitergehen wollte, stand vor mir ein Liebespaar, das sich knutschte. Mann, bitte nicht das auch noch, dachte ich. Die Frau war jedenfalls dick und gefiel mir nicht. Und er gefiel mir auch nicht. Nach diesem Check ging es mir gut. Wenn ich arrogant wäre, würde ich sagen: Mich darf fast niemand haben.

Von der Alten Brücke war es nicht mehr weit bis zum Philosophenweg. Einmal über die Ampel gehen und neben der Bushaltestelle begann der Weg. Zuerst ein geschachtelter Steinweg, mit groben Pflastersteinen und hohen Mauern an den Seiten. Der Weg verlief konsequent bergauf, schlängelte sich nach oben und ab und zu durfte man flache Treppen steigen. Es war anstrengend, gerade auch wegen der Hitze. Selbst ich kam aus der Puste, obwohl ich sportlich bin. Zwischendurch musste ich immer kurz innehalten und genoss die tolle Aussicht. Mittendrin gab es Aussichtsplattformen und Bänke, die aber alle schon besetzt waren. Eine längere Pause hatte ich auch nicht nötig. Nach ungefähr 12 Minuten kam ich oben an, total fertig und kaputt. Außerdem war ich komplett durchgeschwitzt und das mit 28 Jahren. Ein Grund, sich doll zu schämen. Aber ich stellte fest, dass jeder kaputt war und/oder unter Luftnot litt, der den ersten Teil des Philosophenwegs bewältigte. Alle schnieften und schwitzten. Jeder, der es nicht tat, war ein Fake oder ein ehrgeiziger Hochleistungssportler.

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Oben angekommen. Alles war wieder einfach und gut. Der Weg ging nach links und nach rechts. Ich ging zuerst in die linke Richtung. Viele Meter hoch, entlang der Stadt. Wunderschöne Aussicht und überall Bänke. Typisch für Wanderwege: Viel Grün, viel Natur. Mehr kann ich dazu nicht sagen. Der Weg gabelte sich zwischendurch in andere Richtungen. Es war nicht nur ein Weg. Ich kam an einer Imbissbude vorbei. Dort gab es Eis und Getränke. Ich lief so lange geradeaus, bis ich in einem Stadtteil wieder herauskam. In dem Stadtteil, wo die teuersten Häuser und Villen stehen. Ich ging wieder zurück, da ich den kompletten Philosophenweg erleben wollte. Der Weg führte wenig später in den Wald hinein. Dort war ich völlig alleine und ich wunderte mich, wo all die anderen Menschen waren. Mit so viel Einsamkeit rechnete ich nicht. Aber ich dachte auch nicht daran, zurückzugehen. Ich hatte keine Angst. An Männer, die einem auflauern, denke ich sowieso nicht. Trotzdem kam der Gedanke in diesem Wald immer mal wieder durch. Ich fühlte mich tatsächlich sehr alleine und drehte mich ständig um, ob nicht doch andere Leute in Sicht sind.

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In großen Abständen kamen mir Jogger und Radfahrer entgegen. Sonst niemand. Ich gab mir Mühe, nichts Negatives zu denken. Mich würde hier schon niemand umbringen, obwohl dieser Wald perfekt dazu war. Überall hohe Bäume und Vogelgezwitscher. Die Stimmung fühlte sich teilweise unwirklich an. So, als ob ich nicht wirklich da war. Meine Gefühlswelt spielte mir einen Streich. Derealisation. Dieses Gefühl, als ob man tot wäre und irgendwo anders ist. Und vor allem: Nicht im eigenen Körper. Es überwältigte mich, was dieser Weg mit mir anrichtete. Es war eine dieser intensiven Erfahrungen und dieser Weg regte einen tatsächlich dazu an, sehr nachdenklich zu werden und zu sich zu kommen – auf welche Art auch immer. Ich lief bis zum Ende. Natürlich war es längst nicht das Ende, es ging noch viel weiter. Nur wie weit? Auf meinem Navi ließ es sich nicht erkennen. Ich denke, es waren noch mehrere Kilometer. Auf Steinen standen in weißer Farbe die Namen der Wege, sodass man sich kaum verlaufen konnte.
Zumindest hatte ich mein Ziel für diesen Tag erreicht und mir qualmten die Füße. Sie taten weh. Aber Blasen waren noch nicht in Sicht.

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Auf dem Rückweg, gegen Mittag, kamen mir mehr Menschen entgegen. Der Weg füllte sich mit Leben, im Gegensatz zu morgens. Ich war erleichtert, nicht mehr alleine zu sein und wurde innerlich deutlich ruhiger, als vorher. Jetzt weiß ich, dass es doch Dinge gibt, vor denen ich Angst habe.
Als ich den Schlängelweg (eigentlich Schlangenweg) wieder hinunterging, war ich genauso platt. Auch der Abgang erwies sich als nicht allzu prickelnd. Es war auch anstrengend. Ich musste mich konzentrieren, nicht über die unebenen Steine zu stolpern oder über die Stufenkanten. Ich hielt mich wie eine alte Oma an den Seiten fest und bewegte mich nur vorsichtig. Trotzdem stolperte ich. Aber nicht so, dass ich hinfiel. Froh war ich, als ich heil vor der Alten Brücke stand.
Jetzt brauchte ich Entspannung und mir fiel spontan eine Bootstour ein. Wenn ich schon mal hier bin, dann auch AUF dem Neckar. Außerdem liebte ich Schiffe als Kapitänstochter.

Boote gab es genug. Ich entschied mich für die ‚Neckar-Sonne‘ – ein solarbetriebenes Boot mit nichtüberdachten Plätzen. Es fuhr stündlich und machte Rundfahrten über den Neckar.
Da ich noch Zeit hatte, ging ich am Neckar entlang und guckte mir die anderen Schiffe an, die alle unterschiedliche Fahrten im Angebot hatten. Unter anderem auch Burgenfahrten, die länger dauerten. Auch interessant, aber ich wollte gerade nichts Großes planen, wo man sich vorher anmelden musste. Als ich zur Neckar-Sonne zurückging, saßen schon Leute auf dem Schiff. Eine Fahrt kostete 8€ und ich suchte mir einen Platz direkt am Ende. Gleich wurde ich gefragt, ob ich was trinken möchte und ich bestellte mir eine Cola. Die Sonne schien die ganze Zeit und verursachte einen Sonnenbrand auf meinem Nacken.
Auf dem Boot war ein Mädel in meinem Alter mit einem Freund, der ungefähr 20 Jahre älter war. Ich konnte das Mädel absolut verstehen. Und ihn auch. Wie schnell ich bei dem Anblick wieder ins Schwärmen geriet – oh Mann!

Die Fahrt auf dem Schiff war normal. Nur dass die Geräusche des Motors fehlten, da solarbetrieben. Eine ruhige Fahrt und aus dem Lautsprechern wurde Heidelberg erklärt. Allerdings verstand ich kaum etwas. Das Schiff fuhr langsam über den Neckar, sodass man die Stadt von allen Seiten betrachten konnte. Eigentlich sah man nur Häuser und Teile des großen Klinikgeländes, sowie Liegewiesen und halbnackte Menschen. Wasser, Brücken und mehrere Krankenwagen und Polizei fuhren im Schnelltempo durch die Stadt. Das war die Schifffahrt. Am Ende musste ich noch meine Cola bezahlen. An Trinkgeld dachte ich allerdings nicht.

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Nach dem Ausflug ging ich Shoppen und lief durch die Weststadt zum Hotel zurück, um nicht immer die gleichen Wege zu nehmen. Auch die Weststadt bestand aus sehr schicken Häusern und war anscheinend eine beliebte Wohngegend. Ziemlich gediegen und ohne Trubel.

Abends trieb es mich zu Kaufland, das war gleich in der Nähe. Ich wollte einen Salat und hatte keine Lust mehr, mich in ein überfülltes Restaurant zu setzen. Sicherheitshalber kaufte ich noch Blasenpflaster, bevor alles zu spät war und ich nicht mehr laufen konnte. Meine Füße waren von der Wandertour schwarz. Entweder war es Dreck oder meine Schuhe färbten ab. Im Kaufland suchte ich außerdem noch eine Flasche Wasser, komischerweise fand ich nur eine Sorte. Eine andere Frau suchte auch erfolglos nach Wasser. Die hatten alles, aber nur eine Sorte Wasser? Verrückt. Den Salat musste ich genauso suchen, fand dann aber ein ganzes Regal. Mehr wollte ich auch gar nicht.

Als ich im Hotel war, aß ich den Salat samt Kurfürstenkugel und wartete auf das Meeting.

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(21 – 1 Uhr Meeting)

4. Tag/Sonntag: Bergfriedhof & Philosophenweg

Frühstück:
1 Vollkornbrötchen mit Käse und Nutella
Pfirsich Quark
kleine Portion Müsli
Kaffee, Apfelsaft
Nachmittags:
Eiskaffee mit Vanille-Sirup und Sahne
Cola
Abends:
1 Veggie-Burger
Mc Flurry

Frühstück wie immer. Nur, dass ich diesmal so clever war und mir mein Frühstück nicht stückchenweise, sondern gleich komplett holte. Für den Fall, dass mein Platz wieder zu früh abgeräumt wurde.

Dieser Tag begann auf dem Bergfriedhof. Am Eingang stand eine Tafel mit Informationen und Wegbeschreibungen.Wie sein Name schon verrät, handelt es sich um einen Berg mit Friedhof. Ich erzähle nicht viel über den Friedhof, weil Friedhöfe sich von selbst erklären. Dennoch fand ich den Friedhof aufregend. Er war aufgebaut wie ein Labyrinth. Zahlreiche Wege und manche von ihnen endeten im Nichts. Ich fand immer wieder neue Stufen und stieg immer höher auf den Berg, auf dem überall Steine, größere und kleinere Grabstellen verteilt waren. Auf diesem Friedhof lagen definitiv viele Professoren, Mediziner und sogar Erfinder. Ich war beeindruckt. Manche Treppen waren alt und verwildert. Außerdem gab es kaum Absperrungen auf den schmalen Wegen. Wenn man nicht aufpasste, konnte man leicht abrutschen und abstürzen.
Als nach 3.5 Stunden Bergfriedhof dieses seltsame Gefühl in mir aufkam, wusste ich, dass ich jetzt lieber gehen sollte. Das Gefühl von tiefer Nachdenklichkeit, körperlicher Vergänglichkeit, Mitleid und Melancholie. Wenn man sich fragt, ob man privat alles richtig macht oder was einem noch im Leben erwartet. Oder auch nicht…? Oder was ich mache, wenn ich nur noch einen Tag lebe oder krank werde,..körperlich. Oder einen Unfall habe, obwohl ich diese bisher immer mit nachfolgender Belastungsstörung überlebte. Gewisse Situationen bleiben für immer präsent und tauchen als Flashback wieder auf.
Bevor ich mich in diese Gedanken weiter hineinsteigern konnte, verließ ich den Friedhof sehr zügig. Ich wollte so schnell wie möglich weg und fand keinen Ausgang. Dabei wirkte der Friedhof zuerst noch recht überschaubar. Zum Glück fand ich den Ausgang bald.

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Danach schaltete ich sofort meinen MP3-Player an, um mich abzulenken.Vor dem Friedhof stand ein Lamborghini und ich war völlig geschockt, so ein Auto dort stehen zu sehen, wo ich es am allerwenigsten erwartete. Ich konnte es wirklich nicht fassen und blieb erst einmal wie erstarrt stehen. Vielleicht war der ja nur gemietet und kein Eigentum. Obwohl ich so geflasht war, schaffte ich es trotzdem, weiterzugehen. Ich musste ja nicht sehen, zu wem der gehört.

Mein nächster Weg: Altstadt – Alte Brücke – Philosophenweg.

Bevor ich mit der Wanderung anfing, machte ich einen Abstecher zum Kaffeetrinken, sonst würde ich umkippen, bei dem Durst, den ich hatte. Ich bestellte Kaffee mit Vanille-Eis, aber leider war der ausverkauft. Kein Wunder, bei der Hitze war das der begehrteste Kaffee. Mir wurde stattdessen Eiskaffee mit Vanille-Sirup angeboten. Der schmeckte zwar nicht ganz so gut, war aber okay. So wählerisch war ich nicht. Hauptsache, Kaffee – kalt.

Danach ging es sofort weiter. Obwohl man bei der Wärme auch super herumsitzen konnte. Zufällig kam ich noch an einem Wellness-Laden vorbei. Hauptthema: gesundes Essen. Bio natürlich und aus eigener Herstellung. Ich nahm Kräuter-Kräcker, denn mit Apfelchips, Vollkorn-Orangenkeksen und Saucen konnte ich nichts anfangen. Der Laden war nicht wirklich mein Fall. Zu viel Bio und Geschmacksvariationen, die nicht meine waren.

Ansonsten: Gleiches Programm wie gestern. Anstrengender Aufstieg, Schweiß und Hitze.
Unterschied: Auf dem Philosophenweg war mehr los (ab 14 Uhr).
Ich lief die gleiche Strecke, wie am Tag zuvor – nur ein Stück weiter. Überall wanderten Leute, auch tiefer im Wald. Dann kam eine Frau auf mich zu, die eine Wanderkarte in der Hand hielt: „Kennen Sie sich hier aus“, fragte sie mich.
„Nein, ich bin auch nicht von hier. Leider kann ich Ihnen nicht helfen.“
„Okay, trotzdem danke!“

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All meine Eindrücke bzw. mein Erleben auf dem Weg glichen dem Vortag: Nachdenklichkeit, Freiheit und Glück. Ich merkte, dass Wandern eine gute Entspannungsalternative ist und dass ich es öfters machen sollte, wenn ich mich seltsam fühle oder wenn sich irgendetwas in mir anbahnt. Wahrscheinlich brauche ich diese Mischung aus Ruhe und Aktivität. Vielleicht ist das für mich genauso passend, wie meine aktuellen Favoriten: Fitnessstudio, Chiasamen und Detox.

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Ich bekam wieder wahnsinnigen Durst. Natürlich hatte ich auch diesmal nichts zum Trinken mit und musste warten, bis ich wieder am einzigen Imbiss vorbeikam. Vorher war eine Pause auf der Bank nötig, da meine Füße und Beine vom vielen Laufen pulsierten. Nach 10 Minuten machte ich mich wieder auf den Weg. Jetzt fiel das Aufstehen umso schwerer, da mein ganzer Körper nur noch wehtat. Wenn ich zählte, wie viele Kilometer ich in den letzten Tagen insgesamt zurücklegte, war das kein Wunder. Am Tag kam ich locker auf 15 Km und vielleicht sogar noch mehr. Ich kaufte mir eine Cola und setzte mich auf eine etwas abgelegenere Bank in den Schatten. Dann dachte ich kurz darüber nach, dass es bis zum Hotel noch weit war und beschloss, nicht weiter daran zu denken, sondern nachher einfach zu laufen. Wenn man an unangenehme Dinge denkt, werden sie schlimmer. Ich dachte also an nichts mehr. Nur noch ans Jetzt.

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Auf dem Rückweg zog sich allmählich der Himmel zu und es wurde immer dunkler. Ich ging also genau im richtigen Moment los. In der Altstadt sah es nach Gewitter aus und es wehte plötzlich ein kühler Wind durch die Straße. Trotzdem standen die Leute Schlange, um ein Eis zu bekommen. Ich begriff nicht, warum sie so viel Geduld hatten, so lange zu warten, wenn vor ihnen schon 20 Leute bedient werden wollten. Sollte man für ein Eis so viel Zeit investieren?
Wenn sie Glück hatten, durften sie ihr Eis gleich im Regen mit Blitz und Donner essen.

Ich lief im Schnellschritt, weil ich nicht im Gewitter enden wollte. Allerdings musste ich mir noch irgendwo etwas zu essen kaufen, obwohl ich die Kräuter-Kräcker in der Tasche hatte. Nur hatte ich darauf gerade keinen Appetit und wollte etwas Anständiges.
Also lief ich auf dem Rückweg zu Mc Donald’s, da ich keine Lust auf andere Experimente und unbekannte Läden hatte. Der Bio-Shop reichte schon. Zwar der Besuch bei Mc Donald’s für mich eine Seltenheit, aber ich wusste, dass ich dort fündig werde. Ich nahm einen Veggie-Burger und einen Mc Flurry. Alles andere interessierte mich kaum. Allerdings verstand mich die Bedienung nicht richtig und fragte, welche Sorte Fleisch ich drin haben wollte. Was war an Veggie nur falsch zu verstehen? Lag vielleicht daran, dass der Typ unaufmerksam war, bei all den Geräuschen.

Im Hotel wartete ich nicht lange. Zuerst aß ich den Burger und dann das Eis. Danach Einatmen, Ausatmen, Ruhe. Und später Meeting. Plötzlich fing ich an zu weinen. Viel zu spontan, unangemessen und ziemlich ohne Grund. Oh Mann, bitte nicht schon wieder diese Emotionen, die aus dem Nichts kommen. Ungefähr 5 Minuten weinte ich heftig und ließ es einfach geschehen. Niemand sah mich, also musste ich mich nicht für meine kranke Seite rechtfertigen. Die gestörte Seite, die immer mal wieder ohne Ankündigung durchkommt und den Zustand meiner angeschickerten Seele repräsentiert. Mir war bewusst, dass es an diesem Tag eine Situation gab, die mein Unterbewusstsein triggerte. Dann wusste ich es: Es war der Friedhof, der in mir etwas auslöste. Was genau, das kann ich nicht sagen. Meine Emotion hing mit irgendeinem unbekannten Defizit und innerem Konflikt zusammen, den ich nicht kannte. Ich muss also erst herausfinden, um was für einen Defizit es sich handelt und beschloss, die Sache erst einmal ruhen zu lassen, bis sie sich von alleine löst, z.B. durch neue Erfahrungen oder mehr Reife.
Nach 5 Minuten war alles wieder in Ordnung und ich fühlte mich kein bisschen schlecht. Sondern ganz ’normal‘.

(21 – 1 Uhr Meeting)

Als ich nachts wieder zurück kam, war alles so anders, denn das war der letzte Tag in Heidelberg. Die Zeit verging – wie immer – viel zu schnell. Aber es hat gereicht, um die schönsten Orte zu sehen und ein wenig kennenzulernen. Wäre ich ein Heidelberger, würde ich jeden Tag wandern gehen. Dabei kann ich bei mir zu Hause sogar am Strand entlangwandern. Ist das nicht eigentlich auch schön? Würden das die Heidelberger nicht auch gerne tun? Man will doch immer das, was man nicht haben kann und wenn man es hat, dann ist es nicht mehr so spannend. Man schätzt die Dinge und manche Gelegenheiten einfach zu wenig.
Ich packte noch schnell die Sachen für meine Reisetasche zusammen, denn morgen früh war es mir zu spät. Zwar hatte ich nicht allzu viel mit, aber es reichte, dass die Tasche schwerer wurde, als auf der Hinfahrt. Nachdem die Tasche gepackt und ich duschen war, konnte ich mit einem ruhigen Gewissen einschlafen. Alles war reisefertig und passte in die Tasche.

Draußen regnete es, sowie abends schon. Ich hörte ein Donnern, aber letztendlich waren es nur die Geräusche eines Feuerwerks oder einer Party. In Heidelberg war abends viel los, völlig ruhig wurde es nie. Großstadtfeeling. Manchmal hörte man betrunkene Leute und manchmal war es nur das Rollen eines Koffers auf dem Asphalt. Obwohl ich in einer noch größeren Stadt lebte, war es hier anders. Lauter, kultivierter und lebendiger. Oder ich wohnte bei mir einfach in der falschen Ecke, in der es zu gediegen zuging. Im gegenüberliegenden Haus fielen die Rollläden zu. Ich schaute nach, ob es an meinem Fenster auch so etwas gab – ja.
Dann tat ich dem Nachbarn gleich und ließ sie zum ersten Mal seit meinem Aufenthalt herunter.
Anschließend ging ich zu Bett. Im Zimmer war es schwarz. Dieses Schwarz machte mir Angst, es engte mich ein und schnürte mir die Luft ab. Ich bekam Panik. Reflexartig machte ich die Nachttischlampe an und zog die Rollläden wieder hoch. Wie konnte man nur in so einem schwarzen Raum schlafen? Grausam. Mir war es lieber, das Licht der Laternen oder des Mondes zu sehen, als in dieser völligen Schwärze verschlungen zu werden und sich wie tot zu fühlen. Mit offenem Fenster und lichtdurchlässigen Vorhängen fühlte ich mich wohler.

Die Nacht war dennoch schlaflos. Innere Unruhe, viele Pläne und die unterschiedlichsten Gedanken. Es war kein Grübeln. Aber in meinem Kopf war es bunt, wie es für einen kreativen Geist üblich ist. Ich möchte viel machen und habe Angst, dass mein Leben zu kurz dafür ist. Es ist schlimm, wenn man den eigenen Erfolg nicht sieht und denkt, dass man nie genug tut, obwohl man jeden Tag überdurchschnittlich viel arbeitet. Ich bin einfach verkorkst und blind für meine Leistung, weil es für mich zu selbstverständlich ist, all das zu tun, was ich tue.

5. Tag/Montag: Abreise

Frühstück:
1 Vollkornbrötchen mit Käse, Nutella und Schinken (Sorry…Ausnahme)
Mini Quarkschnecke
Erdbeer Griespudding
1 Ecke Camembert
Kaffee
Abends:
paar Kräuter-Kräcker
Ginger Ale

Frühstück wie immer. Nur diesmal hatte ich Appetit auf Schinken und wunderte mich, warum. Warum plötzlich dieser Heißhunger auf Schinken? Es war zum Glück nur eine Scheibe.
Den Rest des Morgens verbrachte ich im Zimmer, auf dem Bett sitzend. Ohne dabei etwas anderes zu tun. Ich war also ziemlich bei mir. Neutral und abreisebereit.
Gegen 10 Uhr checkte ich aus. Mit wenigen Worten und einem Lächeln.

Am Bahnhof kam ich an dem Donut-Laden vorbei. Aber ich hatte keinen Appetit und brauchte nichts für den Zug. Bei den vielen Sorten von Donuts konnte ich mich eh wieder nicht entscheiden. Ich ging zwar kurz in den Laden, schaute über die Theke, aber es war mir zu viel. Zu viel Auswahl. Ich wollte nicht mit diesem Überangebot konfrontiert werden und hatte keine Lust, Entscheidungen zu treffen. Auch wenn es nur um einen einfachen bekloppten Donut ging. Dann lieber gar nichts. Lieber Hungern.

Ich saß 45 Minuten am Bahnhof auf der Bank. Es war trübe und kalt. Ich trug nur ein dünnes T-Shirt unter der Jacke und fing bald an zu frieren. Ekliges Wetter, so ganz ohne Sonne und mit Regenwolken. Trotzdem verging die Zeit überraschend schnell und dass, obwohl ich nicht mal mehr Gedanken im Kopf hatte, weil ich zu müde war.
Der Zug kam pünktlich und auf meinem reservierten Platz saß jemand. Ohh, dachte ich. Aber reserviert ist reserviert – ein bezahlter Platz. Also warum sollte ICH mir dann einen anderen Platz suchen? Das sah ich gar nicht ein.
Ich sagte freundlich: „Guten Morgen! Dürfte ich Sie bitten, aufzustehen? Ich habe diesen Platz reserviert [smile].“
Die Frau, die dort am Fenster saß packte in Windeseile ihre Sachen zusammen und sagte verlegen: „Oh, entschuldigen Sie! Tut mir Leid!“
Und während sie ihre Sachen packte, versuchte ich nett weiterzulächeln und tat so, als wäre alles gar nicht so schlimm.
Als sie an mir vorbeihuschte, sagte ich aufrichtig: „Danke….[smile]….Danke! [smiiiillllllllee]“
Nun konnte ich ungestört auf meinem Platz sitzen. Und dachte danach darüber nach, ob es wirklich okay war, die Frau wegzuscheuchen. Aber ich denke, jeder Anwalt wäre rechtlich auf meiner Seite gewesen. Ich versuchte also, die Sache aus den Augen meines Anwalts zu sehen und mich in sein Wissen hineinzufühlen, obwohl ich in Rechtskunde immer eine Eins auf dem Zeugnis hatte und es selber wissen musste.

Nächster Umstieg war in Frankfurt/Main.
Der ICE kam und ich stand genau vorm falschen Wagen – Wagen Nr. 14 und Wagen Nr. 2 war mein Ziel. Ich rannte so weit vor, wie ich es in der kurzen Zeit schaffte und stieg in den Wagen Nr. 4, damit der Zug nicht eher losfuhr, als ich drinnen war. Der ICE wartete immerhin nicht ewig und alle anderen Leuten waren schon eingestiegen, sodass ich draußen die Letzte war. Den Zug hätte ich nicht verpassen dürfen.
Im Abteil 2 suchte ich den Platz und mein Fuß verhedderte sich in irgendetwas. Ich befreite mich aus diesem komischen Bandsalat und die dazugehörige Person entschuldigte sich, als sie das Malheur bemerkte. Ich wusste nicht, was das war. Die Schnur war rot und es handelte sich nicht um Kopfhörer. Ich hoffte, dass ich nichts kaputt gemacht hatte. Die Person sagte nichts weiter.
Ich fand meinen Platz nicht. 116. Beim Umkehren fand ich heraus, dass Platz Nr. 116 eine 6er Kabine war. Dort saß schon eine Familie mit einem Teenie und einem Kind. Zum Glück verhielten sich alle ruhig und ließen keinen Stress aufkommen. Trotzdem war ich nicht gerade begeistert. Lieber wollte ich meine Ruhe haben, als mit anderen in so einer engen Kabine zu sitzen. Es wurde häufig gegessen und die Handys wurden dauerbespielt.
Nächste Frage: Warum muss man sein Handy permanent in der Hand haben? Geht es denn gar nicht mehr ohne? Die Frage stelle ich mir oft. Es ist so, als würde man ohne nicht mehr klarkommen. Als ob man kein eigenes Leben mehr hätte. Ständig mit anderen Menschen kommunizieren oder dumme Spiele-Apps herunterladen. Klar brauche ich mein Handy auch, um berufliche Kontakte zu knüpfen und auch für Nebensächliches. Aber ich hänge nicht daran und bin auch nicht süchtig nach Aufmerksamkeit und Gesellschaft. Man muss auch mal alleine sein können.

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Letzter Umstieg: Hamburg.
Dort war ich wieder auf gewohntem Boden. Mein Anschlusszug stand schon, das sah ich vom Weitem. Nun musste ich es nur noch irgendwie dorthin schaffen. Wieder schlängelte ich mich durch die Leute, die überall herum und ziemlich im Wege standen. Rolltreppe hoch und Treppe runter. All das im besonders schnellem Tempo, denn ich wollte nur noch in den Zug und die letzte Etappe starten, denn ich war körperlich und psychisch sehr angeschlagen nach der langen Fahrt. Das überraschte mich selber, denn normalerweise steckte ich Reisen bisher immer gut weg und mochte es sogar. Nur diesmal war es anders und ich kann gar nicht sagen, warum. Vielleicht wollte ich gerade einfach nicht in Hamburg sein. Nicht jedes Mal die gleichen Erinnerungen spüren, wenn ich mich dort am Hauptbahnhof befand. Sehnsucht. Nach jemandem, der in Hamburg gleich in der Nähe vom Bahnhof wohnte.

Im Zug setzte ich mich ans Fenster und in die Richtung, die meiner Meinung nach,vorwärts fuhr.
Ich schaute aus dem Fenster, nachdenklich und wehmütig. Dachte an die letzten Tage, den Job und die vielen Erlebnisse. Dann dachte ich an Hamburg und beobachtete die Menschen, die am Bahnsteig standen. Nichts Besonderes zu sehen.
Immer wieder der Gedanke: Ich möchte die Zeit um ein Jahr zurückspulen – bitte. Noch nie habe ich mir so sehr eine Zeitreise gewünscht und kam ins Träumen. Was wäre wenn…
Als der Zug nach ca. 20 Minuten losfuhr, wurde ich in die Realität zurückgeholt. Ich durfte die Fahrt mal wieder rückwärts genießen. Oh Mann! Langsam hatte ich es wirklich satt. Einen neuen Platz konnte ich mir nicht suchen, da aus meinem Blickwinkel heraus alles besetzt schien. Na gut, die drei Stunden bis nach Hause würde ich jetzt auch noch aushalten. Es dauerte nicht lange, als sich eine dicke Frau zu mir setzte und Kreuzworträtzel machte. Aber sie blieb nicht lange, sondern setzte sich nachher woanders hin, als es im Zug leerer wurde.
Die Fahrt kam mir vor, wie eine Ewigkeit, da der Zug zwischendurch immer mal wieder anhalten musste, um andere Schnellzüge vorbei zu lassen.
Ab Schwerin wurde alles wie früher, da ich diese Strecke sehr oft fuhr. Auch das weckte einige alte Erinnerungen. So schnell wird man älter, ohne es zu spüren.

Ich freute mich, als ich endlich am Bahnhof zu Hause ankam und das letzte Stück mit der Straßenbahn fuhr.
Sogar der Briefkasten war, bis auf einen Gutschein, diesmal leer. Eigentlich fühlte ich mich viel zu kaputt, um meine Tasche noch auszupacken. Aber nach einer Tasse Kaffee riss ich mich zusammen und packte meine Sachen aus. Danach war der Abend für mich gelaufen, ging duschen und verschwand anschließend sofort im Bett.
In dieser Nacht wachte ich kein einziges Mal auf.

An der Ostsee…

…im Frühling. 

Ein stiller Abend kurz nach dem Regen. Strandkörbe, die einsam am Strand liegen und Mülltonnen, die vom Wind in den feinen Sand gepustet wurden.

 

    

   

  

   

Urlaub mit Oma

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„Aua“, sagte ich genervt, als ich gegen Morgen aus dem Bett purzelte und mir den Kopf am robusten Nachttisch stieß. „Der Urlaub fängt ja gut an. Ich bin noch nie aus dem Bett gefallen.“
Meine Oma schaute mich amüsiert an, lachte aber nicht laut los, weil das nicht ihre Art war. Sie hielt sich selbst in komischen Situationen dezent zurück. „Hast du dir wehgetan?“, fragte sie mütterlich besorgt.
„Nur ein bisschen gestoßen. Fühlt sich an wie ’ne Beule“, sagte ich, während ich mit meinen Fingern vorsichtig die Stirn abtastete. Ich ging ins Bad und schaute prüfend in den Spiegel.
„Oh Mann, das sieht total dämlich aus. Total rot alles.“ Meine Oma konnte dazu nichts sagen, denn ohne Brille sah sie nicht besonders gut. Stattdessen wurde sie unruhig, weil gleich die Frühstückszeit unten im Saal begann. Ihre Nervosität war ansteckend, dauernd guckte sie auf ihre Uhr, die seit gestern stehengeblieben war. Aber ihre innere Uhr irrte sich nie.
„Wir müssen gleich los“, sagte sie und bewegte sich flott Richtung Tür.
„Ja, gleich. Ich muss mich doch erst mal anziehen. Du bist schon wieder viel zu früh fertig und zu schnell mit allem.“
Schnell kaschierte ich die rote Stelle an der Stirn mit Make-up und zog danach meine Schuhe an.
„Soll ich wieder den Zimmerschlüssel nehmen, Oma?“
„Ja, steck du ihn lieber ein.“
Dann betrachtete ich Oma, wie sie mit ihrer neuen, mit Vögeln verzierten Handtasche vor mir stand. Die hatte sie bei der Ankunft in Schottland gleich im ersten Gift-Shop gekauft und danach ihr Portemonnaie an der Kasse liegen lassen. Zum Glück hatte ich es noch mitbekommen und mir ihr Portemonnaie zur Sicherheit eingesteckt, damit das nicht noch einmal passierte. Ein Urlaub in Schottland war immer Omas größter Herzenswunsch gewesen, den sie sich lange nicht erfüllen konnte, da sie zu bescheiden war.
„Du schleppst schon wieder viel zu viel mit dir rum. Geld brauchst du jetzt eh nicht, Oma. Es ist schon alles bezahlt.“
„Ich nehme sie aber trotzdem mit. Man kann nie wissen.“ Danach gingen wir in den Speisesaal und gehörten wieder zu den ersten Gästen. Das Frühstück war wie immer typisch schottisch, aber wir gewöhnten uns bald daran, von ein paar Toastscheiben satt zu werden.
Anschließend ging es zurück ins Zimmer und wir beschlossen, nachher in die Stadt zu gehen, um uns ein paar Geschäfte anzuschauen. Oma fing an, ihre Tasche durchzusuchen und wurde immer ungeduldiger. „So klein diese Tasche auch ist, aber finden tut man trotzdem nichts.“
„Ja, Oma, das ist nichts Neues. Du verlegst ständig Sachen oder siehst den Wald vor lauter Bäumen nicht.“
Oma wurde zunehmend vergesslicher und reagierte gereizt, wenn ich sie darauf ansprach, denn sie wollte es nicht wahrhaben. Lieber verdrängte sie es. Sie wollte das Wort ‚Alzheimer‘ nicht hören, da sie sich mit ihren 80 Jahren oft noch wie 25 fühlte.
Auf einmal starrte Oma mich mit weit aufgerissenen Augen an. „Ich wurde beklaut. Ich kann mein Portemonnaie nicht finden. Guck“, sagte sie und hielt mir ihre zerwühlte Tasche hin.
„Das kann doch nicht wahr sein. Das war bestimmt dieser Mann, der gestern in unserem Zimmer war. Der hat uns schon so beäugt.“
Ich musste grinsen. Oma sah Sachen, die nicht immer ganz der Wirklichkeit entsprachen.
„Der Mann war harmlos, Oma. Weißt du noch vorgestern, als du deine schicke Tasche gekauft hast? Erinnerst du dich, was da passiert ist?“
„Ich weiß es nicht mehr.“
„Du hast dein Portemonnaie an der Kasse liegen lassen.“
„Ach Gott! Dann hat es bestimmt schon jemand anders mitgenommen“, sagte sie völlig außer sich vor Angst, und Unbehagen machte sich in ihr breit.
Ich holte meine Handtasche aus der Ecke hervor, zauberte unbemerkt ihr Portemonnaie heraus und versteckte es mit einer Hand geschickt hinter meinem Rücken.
„Was willst du nun machen, Oma?“, fragte ich gespannt.
„Ich bin ganz starr vor Schreck und meine Gedanken sind wie weggeblasen.“
Oma wirkte tatsächlich wie ein Häufchen Elend, das in der Vergesslichkeit zu versinken drohte.
„Sieh mal, Oma.“ Ich holte das Portemonnaie aus rotem Krokodilleder und mit goldenem Verschluss hervor und überreichte es ihr.
„Ach Gott, wie bin ich glücklich. Da ist es ja!“ Ich sah die Erleichterung in ihren Augen und sie blitzten vor Freude. „Du bist ein Engel!“
„Ja, Oma. Deswegen behalte ich ab jetzt lieber dein Portemonnaie, damit so was nicht noch mal passiert und du es nicht wieder vergisst.“
Der Urlaub mit meiner Oma war sehr schön und wir erlebten viel. Sie blühte richtig auf, als sie den schottischen Regen zum ersten Mal auf ihrer Haut spürte. Sie fing an, vor Freude im Regen zu tanzen und lachte so unbeschwert wie seit Ewigkeiten nicht mehr. Oma war glücklich und ich hoffte, dass sie einen Großteil dieses Glückes wieder mit nach Hause nahm.
Ich war froh, dass ich ihren größten Wunsch endlich erfüllen konnte, bevor sie auch diesen vergessen würde.

Kapuzi-Pause

Kapuzi-Pausen waren die Pausen, die mich auf der Busreise am meisten nervten.
Was Kapuzi überhaupt heißt?- Kapuzi = Kaffee, Pullern, Zigarette.
Die drei häufigsten Aktivitäten von Reisegästen im Busfahrerjargon.

Während alle bei der nächsten Gelegenheit wie verrückt zum Klo rannten, wusste ich mit der Zeit nichts anzufangen. Saß im Bus, schaute aus dem Fenster oder stand draußen im Abseits des Geschehens.
…Ich musste nicht zur Toilette oder weigerte mich, zu müssen.
…Ich wollte keinen Kaffee und trank sowieso nichts. Vermeidungsverhalten, um bloß nicht zur Toilette zu müssen.
…Ich rauchte nicht, sondern kaute auf harten vegetarischen Lakritzdreiecken, die an den Zähnen klebten. Meine Ersatzbefriedigung gegen Langeweile.

Außerdem schaute ich den anderen geduldig dabei zu, wie sie sich liebevoll um ihre Grundbedürfnisse kümmerten.
Sie standen kontaktfreudig in langen Reihen vor den Toiletten und tranken danach einen Becher starken Maschinen-Kaffee, um dies bald wieder tun zu können.
Anstehen. Pullern. Trinken. Warten. Pause.
Der Bus hielt alle zwei Stunden, ein perfektes Blasentraining für all die älteren Damen. Hatte der Busfahrer das nicht gut geplant? Ihn selber sah ich nie auf der Toilette. Mir fiel generell auf, dass sich die Männer weniger um die Toiletten drängelten und sich lieber die Beine an der frischen Luft vertraten, auch wenn es nur auf einer Stelle vor dem Bus war. Irgendwie waren sie toilettenmäßig einfach besser trainiert, als die Frauen. Ihnen war es wichtiger, sich mit dem Busfahrer über technische Details zu unterhalten und fragten ihn, ob es schwierig war, auf der linken Straßenseite zu fahren. Die Männer waren fasziniert von seinem Können, den Bus seitenverkehrt zu beherrschen.
Der Busfahrer erntete viel Anerkennung und ließ sich davon abhalten, zwischendurch ein bisschen Privatsphäre zu genießen.

Mehrmals wagte ich es dennoch, mir die Toiletten genauer anzuschauen. Machte aber gleich wieder kehrt, wenn es nicht so war, wie ich es mir wünschte. Ich wünschte mir Ruhe und Einsamkeit.
Die quackelnden Warteschlangen vor der Tür machten mich nervös, obwohl ich sie in der Klokabine gar nicht sehen konnte. Aber ich hörte das unruhige Schaben ihrer Schuhe auf dem matten Fliesenboden, ihre wirren Stimmen und das Rascheln von Papier oder das Klirren der Gürtelschnalle in der Nachbarklokabine.
Mann, warum konnten diese Räume nicht völlig geschlossen sein? Dieser Schlitz unten am Boden machte mich wahnsinnig. Ich bekam alles mit, was nebenan geschah, sah bewegende Schatten und konnte mich dabei nicht mehr auf mich konzentrieren. Schlimm.
Zudem kam ich mit dem Druck nicht klar, dass alle Frauen vor der Tür darauf warten, dass ich ENDLICH fertig war, nur damit sie ihren bohrenden Strahl schnell ins Klo schießen konnten. Was ich unter diesen Umständen, wie Hektik, niemals konnte.
Ich hasste öffentliche Toiletten! Und noch viel mehr, wenn alle Frauen aus dem Reisebus zur selben Zeit pullern mussten.

Deswegen waren diese Kapuzi-Pausen nicht mein Ding. Für mich waren es Pausen des Verzichts und des Leidens. Die Pausen waren zu kurz, um als Letzte in absoluter Stille aufs Klo zu gehen. So musste ich weiterhin auf die perfekte Gelegenheit warten.
Fast alle Frauen hatten es geschafft, an jeder schottischen Raststätte erfolgreich ihren Kaffee auszupullern. Sie nahmen jede Klobrille mit.

Klar trank ich auch gerne Kaffee. Aber nicht, um anschließend in gestörter Umgebung aufs Klo zu müssen. Die damit verbundenen Strapazen waren es mir nicht wert.
Und klar rauchte ich auch ganz gerne mal. Nur leider hat es Nikotin im ungünstigsten Fall an sich, ebenso den Harndrang zu fördern.
Tja.

Der fürsorgliche Busfahrer sorgte in den Mittagspausen für Verpflegung, indem er Dosensuppen und Würstchen warm machte. Dazu gab es eine Scheibe Toastbrot aus Vollkorn. Klang eigentlich ganz gut. Er bot alle möglichen Suppen an und ich dachte, dass mir eine Kartoffelsuppe vielleicht ganz gut tun würde. Ich bestellte sie vorher für 2,50 €. Aber als ich sah, wie die anderen gierig mit ihrem Essen abmaschierten, überlegte ich es mir sofort anders und stand verzichtend am Straßenrand wie ein bockiges Kind. Die anderen guckten mich fragend an, sagten aber nichts. Mir war klar, was sie dachten: Die Jugend ist verwöhnt und mäkelig. Von Vegetarierin erwähnte ich erst gar nichts. Die anderen taten so, als würde ihnen der Billigeintopf in der sterilen Plastikschale schmecken. Wahrscheinlich war es auch so. Alles wie zu Hause. Oder sie hatten zu großen Hunger vom langen Sitzen.

Diese Kapuzi-Pausen machten mich unglücklich.
Für die anderen wiederum waren sie eine Erlösung, sie wirkten danach meist deutlich entspannter, als ich. Aber ich konnte damit leben, war ja meine Schuld, dass ich mich so ‚verklemmt‘ und kompliziert anstellte.

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