Sugar Mummy

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Sandy träumte schon lange von Veränderungen. Sie lebte jahrelang mit ihrem älteren Sohn Jan alleine im Haus und sehnte sich nun nach einer stabilen Partnerschaft. Alle Frauen in ihrem Alter waren glücklich verheiratet und hatten Familie. Bisher hatte sie immer nur Pech mit Männern und gab die Suche langsam auf. Sie passte eher in die Rolle der erfolgreichen Geschäftsfrau, in der Liebe anscheinend keinen Platz fand.
Eines Tages lernte sie jedoch endlich einen Mann kennen – im Supermarkt an der Kasse. Er stand hinter ihr und als ein Apfel vom Fließband kullerte, trafen sich ihre Blicke. Sandy hatte sich sofort verguckt und der Mann, namens Kurt, wirkte auch sehr entzückt. Die beiden trafen sich von nun an regelmäßig. Sandy hatte das Gefühl, dass Kurt sie so akzeptierte, wie sie war und seine Nähe fühlte sich gut an. Genau danach hatte sie sich so lange gesehnt.
Außerdem verstand Kurt sich super mit Jan. Aber das war noch nicht alles. Kurt hatte auch einen Sohn, der Paul hieß und in Jans Alter war. Sandy hatte damit überhaupt kein Problem. Schließlich änderte es nichts an ihren Gefühlen und Paul war wirklich nett, wenn auch ein bisschen faul. Aber das würde sich sicher noch ändern, wenn er erst einmal eine Ausbildungsstelle finden würde.
Nach einem halben Jahr war Sandy sich sicher: Kurt und sie gehörten zusammen, und zwar richtig.
Warum sollten sie es also nicht wagen, zusammenzuziehen? Immerhin war Sandy’s Haus groß genug und viele Räume standen sowieso leer und warteten auf Leben.
An jenem Abend lud Sandy Kurt zum Essen ein, um das Thema bei Kerzenlicht anzusprechen. Sie war gespannt, wie Kurt darauf reagierte. Ob er auch bereit wäre, sein Leben zu verändern?
Sandy war überglücklich, als Kurt sagte, dass er insgeheim auch schon davon geträumt hatte. Jetzt würden sie eine moderne Patchwork-Familie werden und ein ganz neues Leben anfangen.
Kurz darauf zogen Kurt und Paul auch schon in das Haus ein. Alles verlief ganz stressfrei.
Paul hatte sein Zimmer gleich neben Jans. Wobei Sandy schon schmunzeln musste, wie unterschiedlich die beiden Jungs waren. Ihr Sohn hatte viel mehr Elan, war aktiv und machte eine anspruchsvolle Ausbildung. Paul hingegen war eher passiv, einsam und hockte am liebsten vor dem Computer oder vor einer seiner vielen unterschiedlichen Spielkonsolen, von denen Sandy keine Ahnung hatte.
Am Anfang war alles spannend und aufregend, da sich Sandy und Kurt noch nach Monaten im Kennlernprozess befanden und immer wieder neue Seiten an sich fanden. Manches war positiv, manches eher negativ.
Sandys Wunsch nach Veränderung schlug mit dem Einzug von Kurt und Paul wie ein Donnerschlag ein. Auf einmal war nichts wie vorher und Sandy genoss diesen frischen Aufschwung, zuerst.
Nach und nach kehrte allmählich Routine ein, wobei die Rollenverteilung immer deutlicher wurde. Sandy war alleine für den Haushalt verantwortlich und Kurt sorgte sich um die handwerklichen Sachen. Kurt war nicht nur ein kleiner Macho, sondern ein großer. Sandy tröstete sich damit, dass Männer nun mal so sein müssen und dass sie den Haushalt ohnehin lieber alleine schmiss, bevor Kurt irgendetwas falsch machte oder nicht gründlich genug war.
Kurze Zeit nach dem Einzug wurde Kurt arbeitslos. Sandy hatte zwar einen gut bezahlten Job, aber die Situation machte ihr bald Sorgen, als sie spürte, dass Kurt die freie Zeit genoss und gerne den ganzen Nachmittag vor dem Fernseher auf der Couch schlief. Allein der Gedanke, dass sie den ganzen Tag arbeitete und er faul zu Hause seine Zeit verbrachte, machte sie innerlich wütend, denn sie verachtete Faulheit. Aber sie behielt ihre Wut für sich, um den Frieden nicht zu stören und hoffte, dass Kurt sich bald neue Arbeit suchte.
Als Sandy eines Abends nach Hause kam und in den Kühlschrank guckte, war sie fassungslos. Im Kühlschrank herrschte völlige Leere, obwohl sie vor zwei Tagen erst einkaufen war. Bis auf Butter und Milch gab es nichts mehr.
Als sie entschlossen und schnellen Schrittes in die Wohnstube lief, um Kurt energisch darauf anzusprechen, erwartete sie das nächste Szenario: Kurt und Paul schliefen friedlich auf der Couch und mittendrin ruhte der dicke Familienkater Felix von Nachbarin Kathi, der sich obendrein noch übergeben hatte.
Sandy wusste nicht, ob sie bei diesem Anblick lachen oder weinen sollte, da alles so dämlich aussah. Alle schienen satt und glücklich zu sein, nur Sandys Bauch war gefüllt mit Wut, die langsam anfing zu brodeln.
Sie würde die Herren später zur Rede stellen, bevor sie ihrem Ärger freien Lauf ließ und vielleicht überreagierte. Stattdessen beschloss sie, sich beim Einkaufen abzureagieren. Der Einkauf war anders als sonst. Sie schmiss die Ware lieblos in den Wagen und riss frustriert die Blätter vom Blumenkohl, den, außer sie, eh niemand aß, da die Männer lieber Fast Food verzehrten. Als Sandy an der Kasse stand, ließ sie ihrem Frust freien Lauf und sagte überreizt: „Ja, ich kaufe viel mehr ein als sonst. Wir haben ja auch jetzt zwei Mäuler mehr zu stopfen.“ Jan kaufte auch manchmal ein, wenn die Vorräte zu knapp wurden.
Einige Leute schauten sie voller Mitleid an, da Sandy in dem Moment pures Unglück ausstrahlte.
Als Sandy mit vollbeladenen Kofferraum wieder im Auto saß, stiegen ihr die Tränen in die Augen und ihr wurde klar, dass Veränderungen zwar interessant sein können, aber nicht immer schön sind.

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