Alles und Nichts

BarnabySelfPortrait

Manchmal denkt man, man hat alles.
Und manchmal denkt man, man hat nichts.
Alles gewonnen und soeben zerronnen.

Manchmal fühlt man sich, wie der tollste Mensch auf der Welt.
Und manchmal fühlt man sich wie ein stummer Niemand.
Ein lachender Schatten seiner selbst.

Manchmal hat man all diese Gefühle an einem Tag.
Und manchmal ganz lange nicht.
Ein phasenweises Ballungsgebiet von Emotionen.

Manchmal meinen es alle gut mit dir.
Und manchmal wirst du nur belogen.
Ein Haufen wohlwollender Heuchler, die sagen, sie wären deine Freunde.

Am Ende ist alles nur eine Täuschung.

Vom Ende einer Liebe

 

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Auf einmal ist alles anders, ziemlich plötzlich und unerwartet.

Wir sitzen bei mir in der Wohnung und haben uns scheinbar viel zu erzählen. Die Stimmung ist locker, dank Bier, TV und meiner verspielten Katze. Wir lachen und verstehen uns super und dennoch ist es irgendwie anders geworden, nach all der Zeit, in der wir uns nicht sahen, weil du dich für eine andere Frau entschieden hast, was ich natürlich nie verstanden habe.

Damals hat mich das zutiefst verletzt, weil ich unendlich in dich verliebt war. Das ist knapp zwei Jahre her und das Leben ging einfach ohne dich weiter. Chaotisch, wild und fröhlich mit viel Schmerz, aber auch Freude und neuen wichtigen Erfahrungen.
Wenn wir uns jetzt sehen, ist alles anders. Wir sind zwei Singles, die nicht mehr zueinander finden werden. Man kann sich tatsächlich auseinander leben, was auch mir nun bewusst wird.
Wir sind uns fremd geworden und leben in zwei verschiedenen Welten, die sich fern sind.
Kein Kribbeln mehr, keine Aufregung, noch nicht einmal Vorfreude erfüllt mich, wenn wir uns spontan verabreden.
Wenn du da bist, bist du da. Wenn du nicht da bist, ist es auch nicht besonders schlimm. Die Gefühle sind so neutral geworden, dass sie weg sind und nicht mal mehr im Geringsten auftauchen.

Ich schaue dich an und warte, was in mir passiert. Nichts. Kaum zu glauben, dass ich damals schon beim ersten Anblick ausgeflippt bin und dabei total nervös wurde.
Ich kuschel mich an dich und warte, was passiert. Auch nichts.
Egal, was ich tue, es passiert nichts, nichts und nichts.
Vom Küssen brauche ich erst gar nicht zu reden und alles andere erübrigt sich damit auch.

Bin erstaunt, wie gut sich mein Herz in der Zeit regeneriert hat, obwohl es einen völligen Totalschaden erlitt.
Es hat sich so stark regeneriert, dass es kaum noch in der Lage ist, für jemand anderen euphorisch zu schlagen und es potentielle Partner vermutlich leider recht schwer bei mir haben.
Es ist verschlossen. Vielleicht so eine Art Selbstschutz? In Verbindung mit meinem schwarzen Humor?
Bestimmt.
Oder es gibt wirklich DEN Mann, der den Schlüssel zu meinem Herzen längst bei sich trägt, aber das Schloss, also mich, noch nicht gefunden hat.
Mein ‚Ex‘ ist es jedenfalls nicht.

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Gefühlsschabracke

 

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Manchmal sitze ich entspannt auf meiner Couch und denke darüber nach, was ich will. Eigentlich weiß ich, was ich will. Nur manchmal bin ich mir da nicht mehr so sicher. Gerade dann, wenn meine Hormone alle total verrückt spielen und meine Neugier in die Höhe treiben. Die Neugier vor dem Unbekannten, um es mal übertrieben auszudrücken, da ich nichts kenne, was mir nicht bekannt ist. Im Klartext: Meine Gedanken drehen sich gerade um Männer, die doppelt so alt sind wie ich und meine Vernunft gnadenlos ausschalten.

 

Auf einmal kann ich mich zwischen ‚jung‘ und ‚alt‘ nicht mehr entscheiden und fange an, die einzelnen Pros und Contras miteinander abzugleichen.
Wobei ‚alt‘ mit der Höchstpunktzahl gewinnt und scheinbar weniger Nachteile hat, als jung.

 

40+: Sie stehen mitten im Leben, wissen, wer/was/wie/wo sie sind und was sie wollen. Kurz: Sie haben einen gefestigten Charakter und sind nicht mehr auf der Suche nach ihrer wahren Identität. Hoffe ich zumindest, denn natürlich kann alles auch ganz anders sein.  
Vor allem aber lassen die Männer der reiferen Liga den einst verborgenen Vaterkomplex wachwerden.
Und anders herum deren leicht pädophile Neigungen oder netter ausgedrückt: väterlicher Beschützerinstinkt. (Womit ich bei diesen Gedanken den Bogen der Provokation sicher schon überspannt habe.)
Endergebnis: Geborgenheit und Wärme.

 

20+: Sie stehen noch am Anfang ihrer Identitäts-Metamorphose und sind auf der Suche nach dem, was ihnen eventuell gefallen könnte und was sie sich vielleicht wünschen. Sind sich aber in ihren Entscheidungen noch nicht sicher, was zu mehr oder weniger ausgeprägten Meinungsschwankungen führt und verwickeln sich damit in Widersprüchen, von denen sie selber nichts merken und kaum bereit sind für klärende Diskussionen.
Endergebnis: Streit und Stress.

 

Ja, alles bisschen schwierig.
Hin- und hergerissen zwischen oberflächlichen Schubladendenken, traditionellen Klischees und erträumten Traummännern.
Sich zwischen zwei Altersgenerationen zu entscheiden, ist schon eine echte Herausforderung, wenn man selber noch zu den Mittzwanzigern gehört.
Entscheide ich mich jetzt für das Neue und Spannende oder bleibe ich meinen Altersgenossen treu? 
Diese Männer kann man eher als Wundertüten bezeichnen – überraschend, aber auch enttäuschend. Sie behaupten, sie wissen, was sie wollen, aber verwickeln sich währenddessen schon in Widersprüchen, ohne es zu merken.
Sie sagen, sie wären selbstbewusst, aber sind eifersüchtig ohne Ende. Widerspruch.
Klar haben sie auch ihre Reize, aber das Kind kommt immer noch zum Vorschein. Gerade dann, wenn es ungünstig ist.

 

Wie dem auch sei.
Mir kann’s egal sein, da ich mich gerade nicht zwischen zwei verschiedenen Männer-Generationen entscheiden muss, sondern nur mit dem naiv verträumten ‚Was-wäre-wenn-Gedanken‘ spiele.
Entschieden habe ich mich schließlich schon lange.

 

 

 

 

Sehnsucht

 

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Ich sitze fast wie erstarrt und still in meinem Zimmer. Es ist Abend und ich bin allein. Das einzige Geräusch ist der Regen, der gegen das Fenster schlägt. Mein Blick fällt auf einen großen Stapel Zeitungen, die in meinem Schrank ungeordnet aufeinander liegen. Wenn ich auf das Datum schaue, überkommen mich Wehmut und Sehnsucht. Die Zeitungen sind alt. Aber wenn ich darin blättere, könnten sie von heute sein. Jedes Bild ist mir bekannt, kein Text ungelesen.

Das Zimmer ist auf einmal gefüllt mit Melancholie und gemischten Gefühlen. Gefühle von heutigem Zweifel und früherer Vorfreude, sowie Glück. Es gab Zeiten, in denen alles perfekt schien. Diese Zeiten liegen heute in Scherben in der Vergangenheit und existieren nur noch in dunkler Erinnerung.

Wird es diese Zeiten je wieder geben – zwar in anderer Form, aber vielleicht ähnlich? Ich werde nachdenklich. Schwer, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Nichts wird wieder so, wie es einmal war. Veränderungen kommen, bleiben und gehen. Nie wieder wird Vorfreude so sein, wie sie einst war, die Enttäuschungen der Zeit hat sie vertrieben.

Und wo ist die Unbeschwertheit, die mich stets begleitet hat? Auch sie hat sich im Laufe der Erfahrungen schleichend verabschiedet.
Draußen ist es nass, kalt und bunt. Der Herbst steht vor der Tür. Die Jahreszeit, die trüben Gefühlen die Tür öffnet und sie traurig begrüßt. Ich bin gerne alleine und genieße es, mich in meiner Sehnsucht nach dem Vergangenen zu suhlen und alte Jahre wieder aufleben zu lassen.

Eine einzige Kerze brennt nur noch, die anderen sind bereits abgebrannt. Um mich herum ist es halbdunkel, aber warm.
Meine Gedanken wechseln zwischen gestern, heute und morgen. Alles ist möglich. Nur ich entscheide, in welcher Realität ich leben möchte und was ich will.

Meine Entscheidung ist: Loslassen und mit einem Lächeln durch den Regen und durch die Pfützen zu springen. Durch das Herbstlaub zu rascheln und mit dem Moment eins zu sein.
Die Kerze erlischt mit einem Hauch, das Zimmer wird dunkel. In mir kehrt Frieden ein, Zweifel verschwinden in der Dunkelheit und verstecken sich. Es liegt an mir, ob ich sie morgen suchen möchte, um sie dann erneut in mein Leben zu holen.

Ich werde müde und schaue im silbernen Mondlicht an die runde verzierte Deckenlampe meiner Oma. Draußen bellt ein Hund in der Nacht, während ich in dem alten Gästebett liege und auf meine Eltern warte, die noch spät in der Küche sitzen und sich mit meinen Großeltern über alte Zeiten unterhalten.

Ich wünschte, die Zeit würde stillstehen oder wiederkommen. Oder wird es eine andere, neue Zeit geben, die dieser ähnelt? Läuft das Leben nicht in einer Endlosschleife, in der sich alles nach einer Weile ähnlich wiederholt?
Der Gedanke lässt mich hoffen und ich werde müde.

 

Schwarz-weiße Schmetterlinge

Es ist Sonntag.
Ein Sonntag, wie kein anderer.
Ich sitze einsam am Strand, feiner Nieselregen fällt auf mich herab.
Doch ich spüre nichts.
Eine eisige Kälte umhüllt mich, wo einst nur Wärme war.
Mein Körper – abgemagert und blass – Spiegelbild meiner Seele.
Mit leerem Blick starre ich auf die Wellen, die bedrohlich und dunkel auf mich zurollen.
Keine Menschenseele am Strand, nur ich alleine mit mir und dem Regen.
Das Gefühl, für Raum und Zeit – verschwunden.
Ich spüre nichts.
Keinen Schmerz, keine Freude.
Es regnet stärker.
Es ist mir egal.

In meinem Kopf lauter Bilder, die wie ein Film nacheinander ablaufen.
Emotionen, die wieder aufleben wollen. Sie drängen sich in mir auf.
Ein Bilderbuch mit vielen schönen Worten.
Und ein Stück Hoffnung.
Die Kälte um und in mir wird eisiger.
Von Wärme längst keine Spur mehr.
Es ist kaum auszuhalten.
Starke Gefühle von Machtlosigkeit.

Eine Träne fließt langsam über mein Gesicht.
Weitere Tränen folgen.
Alles bricht aus mir heraus.
Ich sitze immer noch alleine am Strand.
Inzwischen regnet es in Strömen.
Doch ich nehme es kaum wahr.
Weil ich es verdient habe.
Ich bin mir sicher.

Abends fahre ich nach Hause.
Völlig leer und nass vom Regen.
Apathisch schaue ich aus dem Fenster.
Jede Kurve könnte die letzte sein.
Mir ist es egal.
Wieder viele Bilder in meinem Kopf.
Und die Frage nach dem Warum.
Eine Beleidigung zu viel.
Nach all den netten Worten.
Eine Beleidigung zu viel.
Und alles ist vergessen.
Es geht mir schlecht.
Meine Seele ist verletzt.
Mein Körper auch.

Ein Haufen schwarz weißer Schmetterlinge.
Sie haben ihre Farbe verloren.
Denn ihr Leben ist aus ihnen gewichen.
Sie haben keine Kraft mehr zu flattern.
Denn ihre Flügel sind gebrochen.
Langsam finden sie ihren Tod.
Der Wind fegt sie fort.
Es ist, als hätten sie nie existiert.
Erinnerungen an schöne Zeiten verblassen.
Hoffnung gibt es nicht.
Die Frage nach dem warum, sie wird bleiben.

Ich wünschte, Schmetterlinge leben.

 

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