Der Brotkasten

In unserer Firma sind inzwischen 5 Brotkästen eingezogen, die darauf warten, verkauft zu werden. Natürlich online, denn dort könnten sie gute Chancen haben, ein neues Zuhause zu finden. Noch wohnen sie bei uns – in 5 Kartons. Jeder Brotkasten hat seinen eigenen Karton, indem er auch verschickt wird, sobald er verkauft wird.

Anscheinend sind Brotkästen beliebt, denn andere Firmen verkaufen sie angeblich fast hundertfach oder zumindest ziemlich oft. Das wollen wir auch schaffen und deshalb sind unsere Brotkästen jetzt endlich online erhältlich. Wir hoffen, dass andere Menschen schnell auf sie aufmerksam werden und Interesse an ihnen zeigen. Dazu bieten wir sie in 3 verschiedenen Ausführungen an, damit unsere Brotkästen noch besser dastehen, als die langweiligen Brotkästen der Konkurrenz, die in jeder Ecke der Onlinegeschäfte lauert.

Lange Zeit habe ich nicht so richtig an unseren Brotkasten geglaubt, der zuerst ganz alleine in unserem Büro stand und darauf wartete, fotografiert und im Onlineshop hochgeladen zu werden. Ich habe ihn ignoriert und mich ein wenig über Brotkästen lustig gemacht. Wer braucht schon so etwas? Mein Brot packe ich immer in den Kühlschrank, der hält es am längsten frisch. Ehrlich gesagt hoffte ich, dass das Brotprojekt nicht stattfindet und dass sich die Idee am Ende nicht durchsetzt.

Aber dann war es soweit: Als ich im Urlaub war, fotografierte meine Kollegin den Brotkasten professionell in ihrer perfekt ausgeleuchteten Fotobox und gab ihm ein neues Image. Sie fotografierte ihn so gut, dass er ein spannendes und appetitanregendes Leben bekam. Durch die frischen Brote vom Bäcker und den schön drapierten Tomaten wirkte er nicht mehr so einsam und leer – er wurde seiner Aufgabe als Brotkasten endlich gerecht. Durch die gut gewählte Dekoration wurde er richtig lebendig und wollte verkauft werden.

Bald darauf wurde seine Artikelbeschreibung mittels Keywordanalyse akkurat verfasst, denn auch der Text sollte zum Kauf anregen. Text und Fotos müssen immer überzeugend sein und wir wollten schließlich auch, dass der Brotkasten nicht für immer bei uns bleibt. Wir wollen den Brotkasten nicht nur verkaufen, weil er so schön ist, sondern weil wir Geld dafür haben möchten. Leider ist genau das immer der eigentliche Sinn, warum man schöne Dinge verkauft. Das Ziel ist: Geld verdienen. Mit Dingen, die man kauft, um sie nachher weiterzuverkaufen. Meist in überarbeiteter und optimierter Form z.B. durch hinzugefügte persönliche Gravuren.

Nun ist der Brotkasten online und wir warten jeden Tag darauf, dass wir ihn verkaufen. Und die anderen 4 auch noch. Damit wir später, wenn sie erfolgreich verkauft wurden, noch mehr Brotkästen kaufen können, um sie graviert an unsere Kunden weiterzuverkaufen. Ein ewiger Kreislauf aus Hoffnung, Verzweiflung, Freude und Trauer. Ein täglicher Kampf ums Überleben, denn jede Firma braucht Geld und ist abhängig von Produkten, die gerne und viel gekauft werden.

Jedes Mal, wenn ich den Brotkasten in meinem Büro auf dem Tisch stehen sehe, überkommen mich komische Gefühle. Er steht dort und ich spüre genau, wie viel Hoffnung in ihm steckt und wie viel Hoffnung der Chef hat. Unser Chef hat von Anfang an sehr viel Potential in ihm gesehen. Ihm war es wichtig, dass er schnell ins Internet kommt und alle von seinem Dasein erfahren. Denn ein Brotkasten mit Personalisierung ist eine tolle Sache. So etwas braucht jeder in seiner Küche – oder man verschenkt ihn an liebe Freunde und Familie.

Wenn ich den Brotkasten vor mir sehe, sieht er normal aus. Brotkasten eben. Aber wenn ich ihn auf den Fotos sehe, sieht er anders aus. Er strahlt förmlich und regt zum Kauf an. So ist es wohl immer mit den Fotos, die nur das Ziel haben, das Produkt zum Leuchten zu bringen und interessanter zu machen, als es in Wirklichkeit ist.

Die anderen Brotkästen wurden noch nicht von uns begutachtet. Sie liegen noch eingepackt in ihren Kartons und werden erst ausgepackt, wenn sie bestellt worden sind und zum Gravieren in den Laser kommen. Danach werden sie wieder in ihren Karton zurück gepackt und versendet. Zu einem Kunden, der schon auf seinen Brotkasten wartet und ihn verwenden oder verschenken möchte. Der Kunde hat natürlich auch die Hoffnung, dass der Brotkasten schön ist und ihm gefällt.

Ja, das Online-Business ist schon eine komische Angelegenheit.

Ungeliebte Paket-Freundschaft

Wenn Nachbarn meine Pakete annehmen, finde ich das echt mies.


Eigentlich sollten meine Pakete schon gestern ankommen, als ich frei hatte. So stand es ursprünglich auch in der Sendungsauskunft. Ich plane meine Bestellungen immer so gut es geht und sofern es möglich ist. Nur leider bin ich nicht die Post und habe selten die völlige Kontrolle über die Lieferungen. Ich hatte gehofft, dass meine Pakete noch heute Vormittag kommen. Manchmal klappt das, kurz bevor ich zum Spätdienst fahre. Dann bin ich jedes Mal super erleichtert und kann mit einem guten Gefühl zur Arbeit fahren. Immerhin wird dann niemand gestört und ich fühle mich wohler, wenn sich keiner um meine Pakete kümmern muss. Am liebsten würde ich den Postleuten meinen Dienstplan geben, damit sie immer zur richtigen Zeit kommen und nicht paar Minuten später. Oft ist es so, dass wir uns knapp verfehlen und das ist sehr ärgerlich.

Genau wie heute. Im Laufe des Nachmittags bekam ich eine Email, dass meine Pakete bei unterschiedlichen Nachbarn eingetroffen sind. Zwei DHL-Pakete und einmal Hermes. Das eine Paket bei meiner Lieblingsnachbarin, die sogar zufällig eine Vollmacht hat und die anderen beiden bei einem Nachbarn, den ich gar nicht kenne. Er wohnt im 4. Stockwerk und ich im 1. Da hat sich der Postmann also tatsächlich bis ganz nach oben begeben, um meine Pakete woanders loszuwerden. Unglaublich. Ich habe keine Ahnung, was mich da oben erwartet. 

Auf dem Weg nach Hause kochte ich vor Wut. Einfach weil es mich nervt. Ich bestelle oft und belästige dann meine Nachbarn mit der Ware. Ich nehme schließlich auch nichts für andere an, da ich in unterschiedlichen Schichten arbeite und nie weiß, wann ich zu Hause bin und wann der Nachbar kommt, um sich sein Zeug abzuholen. Ich mag diese scheiß Abhängigkeit nicht. Und die Warterei auch nicht. 

Und nun haben die Nachbarn den ganzen Nachmittag und Abend gewartet, bis ich meine Pakete abhole und nicht kam. Tolle Verarsche. Aber um 23 Uhr klingele ich nicht mehr, das ist unhöflich. Erstens sind die Leute hier zu 80% alt und zweitens könnte man es als Belästigung auslegen. Pakete sind sowieso immer ätzend für andere. Aber selbst schuld, wenn sie Ja sagen und brav annehmen. Aber meist nur, weil ihnen nichts anderes übrig bleibt und viele nicht Nein sagen können. Ich habe mich schon mehrmals davor geweigert und nehme Pakete nur dann an, wenn ich weiß, dass ich für längere Zeit in meiner Wohnung bin und mir danach ist. Meist sage ich, dass ich gleich weg bin.

Morgen muss ich dann den Vormittag damit verbringen, meine Pakete einzusammeln und freundlich zu sein. Mal gucken, was das für eine Person im 4. Stock ist. Mir sagt der Name nichts. Ich hoffe, derjenige ist da, denn ich habe keine Lust, diesem Nachbarn hinterherzurennen und mehrmals zu verschiedenen Zeitpunkten klingeln zu müssen, wie es schon einmal der Fall war. Mit meiner Nachbarin von nebenan muss ich dann wieder sehr viel erzählen, weil das immer so ist. Dabei geht es um meine Arbeit und um das Wetter. Es gibt kaum andere Themen zur Auswahl. Dann bin ich gespielt freundlich und hoffe, dass die Unterhaltung bald vorbei ist. Zwar hat diese Nachbarin eine Vollmacht, was meine Pakete angeht, aber das war eher unfreiwillig – mal so nebenbei. 

Am besten wäre es, sich sein Zeug direkt von der Post abzuholen. Dann würde ich mich weniger gequält und freier fühlen. Kein Zwang mehr und keine komischen Gespräche, die total angespannt sind, auch, wenn man es mir nicht anmerkt. Aber ich will einfach nichts mit meinen Nachbarn zu tun haben. Ich will mir in meiner Freizeit selbst aussuchen, mit wem ich Kontakt haben möchte. Außerdem kann ich diese gezwungen Pläuschchen nicht leiden. Ich bin noch keine Rentnerin und keine lockere Hausfrau, die nebenbei Mutti ist. 

Deswegen ist mir die Sache mit den Paketen echt unangenehm, weil man sich irgendwie gegenseitig nervt und insgeheim niemand gerne Pakete annimmt.