Der Herbst. Das Alter. Die Mutter.

Die Gedanken an die Vergangenheit sind lebendig, aber die Realität ist so ziemlich das Gegenteil. Ein ernüchterndes Schlüsselerlebnis, über welches ich schreiben muss, um damit abzuschließen – für heute.

Was soll ich das sagen: Meine Lieblingsjahreszeit, der Herbst, entwickelt eine gewisse Traurigkeit, die gerade sehr überraschend einschlägt. Ganz plötzlich und schwierig in Worte zu fassen, da ich noch nicht weiß, in welche Schubladen ich meine Gefühle stecken soll, die frisch aufploppen, während ich auf der Couch sitze und diesen Text schreibe.

Der Herbst ist dafür bekannt, dass die Gefühle melancholischer werden und man öfter an die gute alte Vergangenheit denkt. Die in der Fantasie wohl oft schöner ist, als sie wirklich war und im Gehirn als positive Erinnerung abgespeichert wurde. Zumindest bei mir. So habe ich auch den Herbst als schöne Erinnerung abgespeichert und verbinde damit jedes Jahr eine tolle Zeit. Im Moment zweifele ich allerdings etwas an den alten Gefühlen.

Was ist, wenn ich die alten Gefühle besser in Erinnerung habe, als sie wirklich waren und sie falsch abgespeichert habe? Vielleicht war der Herbst ja nie so toll, wie eingebildet. Vielleicht war alles ganz normal und völlig unemotional. Der Herbst war einfach immer der Herbst, so wie jede Jahreszeit ihre Pros und Kontras hat. Habe ich in den Herbst immer zu viel hineininterpretiert? Momentan bin ich unschlüssig und weiß nicht, wohin mit mir und meinen Gedanken.

Gestern habe ich eine Radtour durch den Herbstwald gemacht – allein. Im Herbst ist dieser Wald immer am schönsten und es sind kaum Leute unterwegs, so kann man die Zeit allein noch mehr genießen. Ich erfreue mich jedes Mal an den Farben der Bäume, wenn sie so schön orange sind und die Blätter schon langsam abfallen. Alles ist so schön trist und das mag ich. Wenn es dann noch leicht nieselt, ist die Stimmung perfekt. Es ist so eine Art Abschiedsstimmung, mit der man sich allmählich vom Jahr verabschiedet und noch einmal über alles nachdenkt. Man denkt dann gleichzeitig auch über die Zeit nach, als man viel jünger und auf dieser Strecke mit dem Rad unterwegs war. Und dann kommen Zweifel auf: Es hat sich anders angefühlt, vor vielen Jahren. Aber stimmt das? Hat es sich wirklich anders angefühlt oder ist es nur eine Einbildung, weil man älter geworden ist? Oder fühlt sich alles deswegen anders an, weil man älter wird? Es ist sehr komisch. Man will sich verändern, und irgendwie doch nicht. Und eigentlich doch. Ich bin froh, dass ich es geschafft habe, mich zu verändern. Denn früher wäre ich gerne so wie heute gewesen. Und dennoch denke ich gerne an früher und denke darüber nach, ob doch alles ganz okay so war. Aber nein, sonst wäre ich damals nicht so unzufrieden gewesen.

Ja, es sind diese Gedanken über Vergangenheit und Gegenwart, die einen ziemlich durcheinander bringen können. Gerade im Herbst, in der Zeit des Nachdenkens und der Rückblicke. Und es ist gut, in sich zu kehren und zu fühlen, was in einem los ist. Mir ist inzwischen klar, dass ich leider doch älter und erwachsener geworden bin, als mir innerlich recht ist. Aber die Zeit steht nicht still, auch wenn man sich stur einbildet, immer noch 17 zu sein. Man ist nur einmal 17 und auch, wenn man sich jünger fühlt, als man ist, ist man doch älter. Zeit, diese Tatsache zu akzeptieren und nicht die Vergangenheit mit der Zukunft zu vergleichen. Das geht nicht und passt nicht zusammen. In diesem Herbst ist mir also klar geworden, dass ich in knapp einem Monat 36 Jahre alt werde und ich fast 20 Jahre keine 17 mehr bin. Es ist wichtig, bewusst im Jetzt zu leben und sich nicht an die Vergangenheit zu klammern, auch nicht, wenn der Herbst gern dazu einlädt.

Wenn ich mir die alten Herbstfotos aus verschiedenen Jahren auf meinem Handy anschaue, bekomme ich ein leichtes Bauchkribbeln, denn es war einfach immer irgendwie schön, im Herbst unterwegs zu sein, meist zusammen mit meiner Mutter, da ich immer viel Zeit mit ihr verbrachte und lange keinen Partner hatte. Deswegen war sie immer die Bezugsperson Nummer 1, beste Freundin und eben auch ‚Mutti‘. Es gab immer viel zu erzählen, auch wenn sie eher eine ruhige Person war, aber trotzdem war sie auf ihre Art für mich da. Heutzutage weiß ich nicht mehr, worüber wir geredet haben, wahrscheinlich Schule und Dates. Die Zeiten sind nun lange vorbei, wo solche Themen wichtig waren. Jetzt habe ich einen normalen und geregelten Alltag, ohne viel Drama und Überraschungen. Hängt sicher auch mit meinem fortschreitenden Alter zusammen. Vielleicht ist da was dran, dass man ruhiger und gelassener wird, wenn man älter wird. Letztendlich habe ich auch nicht mehr viel Lust auf Stress und Hektik. Auch ein Eingeständnis dafür, dass ich in die Jahre komme…

Nun ist es leider so, dass zwischen meiner Mutter und mir nur noch wenig Kommunikation stattfindet. Von Jahr zu Jahr scheint der Kontakt abzunehmen, obwohl wir uns jeden Tag sehen und somit Kontakt haben. Wir sind beide zusammen, aber irgendwie auch nicht. Es ist komisch. Wahrscheinlich handelt es sich nur um so eine Art Verschiebung. Da man inzwischen selber erwachsen ist, hat man wohl nicht mehr das Bedürfnis, immer das ‚Kind‘ zu sein und man redet eher mit dem Partner über seine Probleme, wenn es welche gibt. Man hat das Gefühl, dass man niemanden mehr mit seinen Problemen belasten will, gerade, wenn auch die Mutter schon alt ist. Ja, meine Mutter ist inzwischen alt und auch das muss ich schmerzlich realisieren. Sowie die Akzeptanz, dass sich Dinge, Gefühle und die Persönlichkeit verändern. Das ist normal, so ist das Leben. Natürlich kann heute nichts mehr so sein, wie früher. Die Zeit vergeht, Gefühle verändern sich und auch die Wahrnehmung wird anders. Mehr Jahre, mehr Erfahrung, mehr Weisheit. Eigentlich eine ganz gute Sache. Man muss nur aufhören, das Alte mit dem Neuen zu vergleichen, denn das geht emotional nach hinten los.

Es ist immer richtig, im Jetzt zu leben und Veränderungen einfach zu akzeptieren. Es bringt nichts, sich an die Vergangenheit zu klammern, denn die Vergangenheit ist vergangen und hat mit der jetzigen Realität nichts zu tun. Die Vergangenheit ist so etwas wie eine hoffnungsvolle Fantasie, die auch nicht besser war, als das Heute. In der Vergangenheit gab es auch Probleme, die heute hoffentlich gelöst sind.

Der Herbst wird meine Lieblingsjahreszeit bleiben mit der Erkenntnis, das Leben so zu genießen, wie es jetzt ist, denn irgendwann wird das Heute auch der Vergangenheit angehören. Ich akzeptiere das Leben und vermeide, es mit dem Damals zu vergleichen. Jeder Lebensabschnitt hat seine Zeit und das ist gut so.

Der Herbst schleicht sich an

Früher verging die Zeit nicht so schnell, wie heute.

Sehnsucht (Oktober 2013)

Ich sitze fast wie erstarrt und still in meinem Zimmer. Es ist Abend und ich bin allein. Das einzige Geräusch ist der Regen, der gegen das Fenster schlägt. Mein Blick fällt auf einen großen Stapel Zeitungen, die in meinem Schrank ungeordnet aufeinander liegen. Wenn ich auf das Datum schaue, überkommen mich Wehmut und Sehnsucht. Die Zeitungen sind alt, aber wenn ich darin blättere, könnten sie von heute sein. Jedes Bild ist mir bekannt, kein Text ungelesen.

Das Zimmer ist auf einmal gefüllt mit Melancholie und gemischten Gefühlen. Gefühle von heutigem Zweifel und früherer Vorfreude, sowie Glück. Es gab Zeiten, in denen alles perfekt schien. Diese Zeiten liegen heute in Scherben in der Vergangenheit und existieren nur noch in dunkler Erinnerung.

Wird es diese Zeiten je wieder geben – zwar in anderer Form, aber vielleicht ähnlich? Ich werde nachdenklich. Schwer, diesen Gedanken zu Ende zu denken. Nichts wird wieder so, wie es mal war. Veränderungen kommen, bleiben und gehen. Nie wieder wird Vorfreude so sein, wie sie einst war, die Enttäuschungen der Zeit hat sie vertrieben.

Und wo ist die Unbeschwertheit, die mich stets begleitet hat? Auch sie hat sich im Laufe der Erfahrungen schleichend verabschiedet.

Draußen ist es nass, kalt und bunt. Der Herbst steht vor der Tür. Die Jahreszeit, die trüben Gefühlen die Tür öffnet und sie traurig begrüßt. Ich bin gerne allein und genieße es, mich in meiner Sehnsucht nach dem Vergangenen zu suhlen und alte Jahre wieder aufleben zu lassen.

Eine einzige Kerze brennt nur noch, die anderen sind bereits abgebrannt. Um mich herum ist es halbdunkel, aber warm.

Meine Gedanken wechseln zwischen gestern, heute und morgen. Alles ist möglich. Nur ich entscheide in welcher Realität ich leben möchte und was ich will.

Meine Entscheidung ist: Loslassen und mit einem Lächeln durch den Regen und durch die Pfützen zu springen. Durch das Herbstlaub zu rascheln und mit dem Moment eins zu sein.

Die Kerze erlischt mit einem Hauch, das Zimmer wird dunkel. In mir kehrt Frieden ein, Zweifel verschwinden in der Dunkelheit und verstecken sich. Es liegt an mir, ob ich sie morgen suchen möchte, um sie dann erneut in mein Leben zu holen.

Ich werde müde und schaue im silbernen Mondlicht an die runde verzierte Deckenlampe meiner Oma. Draußen bellt ein Hund in der Nacht, während ich in dem alten Gäste-Bett liege und auf meine Eltern warte, die noch spät in der Küche sitzen und sich mit meinen Großeltern über alte Zeiten unterhalten.

Ich wünschte, die Zeit würde stillstehen oder wiederkommen. Oder wird es eine andere, neue Zeit geben, die dieser ähnelt? Läuft das Leben nicht in einer Endlosschleife, in der sich alles nach einer Weile ähnlich wiederholt?

Der Gedanke lässt mich hoffen und ich werde müde.

…other diamonds

Meine Lieblingsjacke und ich.

Halloween Love 

Verliebt in meine neue Fake-Diamond-Fake-Fur-Jacke!